Neues Patientenrechtegesetz – die Konsequenzen für Radiologen

von RA und FA für MedR Rainer Hellweg, Kanzlei Schroeder-Printzen Kaufmann & Kollegen, Hannover, www.spkt.de

Seit dem 26. Februar 2013 ist das neue Patientenrechtegesetz in Kraft. Zentraler Bestandteil des Gesetzes ist ein neuer Abschnitt „Behandlungsvertrag“ im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 630a bis 630h BGB). Das Gesetz enthält vieles, was schon vorher nach ständiger Rechtsprechung der Gerichte bestehende Rechtslage war. Manches ist aber auch neu. Es folgt ein Überblick über die für Radiologen in Praxis und Klinik relevanten Regelungen. 

Die Grundregeln, unter welchen Voraussetzungen Behandlungs- und Aufklärungsfehler vorliegen können und wie die Beweislast im Prozess verteilt ist, sind gleich geblieben. Somit hat sich etwa zu den Fragen, bei welchen Indikationen Kontrastmittel eingesetzt werden sollen und wie die Patienten hierüber aufzuklären sind, die Rechtslage nicht verändert. 

Aufklärungsunterlagen dem ­Patienten aushändigen

Für die Aufklärung ist nunmehr gesetzlich geregelt, dass dem Patienten alle Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, ausgehändigt werden müssen (§ 630e Abs. 2 Satz 2 BGB). Da das Gesetz ein Auskunftsbegehren des Patienten nicht voraussetzt, ist davon auszugehen, dass ihm von allen unterzeichneten Formularen ungefragt Abschriften zu übergeben sind. Dies betrifft zum Beispiel die Einwilligungserklärung vor KM-Gabe (siehe dazu auch den Beitrag „Haftungsfalle! Die 6 wichtigsten Punkte zur Neuregelung bei Patienten-Abschriften“ in RWF 4/2013). 

Information über mögliche Behandlungsfehler

Neu ins Gesetz implementiert wurde auch eine ärztliche Informationspflicht bezüglich möglicher Behandlungsfehler. Hierzu heißt es im neuen § 630c Abs. 2 Satz 2 BGB: „Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten darüber auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren.“ Zwar musste der Patient zur Abwehr konkret drohender gesundheitlicher Gefahren auch bisher vom Arzt über eine mög­liche Fehlbehandlung informiert ­werden; neu ist jedoch, dass der Arzt auf Nachfrage des Patienten einen möglichen Behandlungsfehler einräumen muss. 

Nach der Gesetzesbegründung soll dies die Transparenz im Arzt-Patienten-Verhältnis fördern. Wie weit der Anspruch der Patienten konkret reichen soll, bleibt aber unklar. Ob von ärztlicher Seite lediglich auf das in der Patientenakte Dokumentierte hingewiesen werden muss oder ob der Arzt verpflichtet ist, darüber hinaus mögliche Schlussfolgerungen aufzuzeigen, bleibt der nachfolgenden Rechtsprechung überlassen. 

Praxistipp: In jedem Fall sollte der behandelnde bzw. untersuchende Arzt eine erfolgte Auskunft gegenüber dem Patienten dokumentieren, damit diese in einem Prozess belegt werden kann. Hierbei sollte in der Patientenakte schriftlich festgehalten werden, was genau dem Patienten mitgeteilt wurde. 

EDV muss Dokumentations-Änderungen kenntlich machen

Eine Neuerung bezüglich der Patientendokumentation bringt folgende Formulierung in § 630f Abs. 1 Satz 2 BGB: „Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleibt.“ In der Begründung des Gesetzes wird betont: Im Falle einer elektronisch geführten Patientenakte muss die eingesetzte Softwarekonstruktion gewährleisten, dass nachträgliche Änderungen erkennbar werden. Welche Schlussfolgerungen hieraus konkret zu ziehen und welche Anforderungen künftig an die Dokumentations-Software zu stellen sind, ist unklar und unter Medizinjuristen umstritten. 

Droht eine schnellere Beweislastumkehr?

Patientenvertreter argumentieren teilweise, dies sei eine der Behandlerseite obliegende Beweissicherungspflicht. Schon wenn der Patient im Arzthaftungsprozess bestreite, dass eine manipulationssichere EDV mit elektronischer Signatur und speziellem Änderungsmodus verwendet werde, sei der Arzt in der Beweispflicht. Gelinge der Beweis nicht, verliere die ­Dokumentation gänzlich ihren Beweiswert. Fatale Konsequenz für den Arzt wäre, dass er dann alle dokumentierten Untersuchungen und Behandlungsmaßnahmen durch andere Beweismittel wie etwa Zeugen belegen müsste – und das ist sehr schwer. 

Andere Medizinjuristen hingegen meinen, ein bloßes Bestreiten der Patienten im Hinblick auf eine manipulationssichere EDV reiche nicht aus, um die gesamte Behandlungsdokumentation als Beweismittel völlig auszuschließen. Wie die Gerichte sich hierzu künftig positionieren, ist kaum vorher­sagbar. 

Praxishinweis: Die möglichen Konsequenzen in Arzthaftungsprozessen sollten Anlass sein, die verwendete EDV-Dokumentation darauf zu überprüfen, ob sie manipulationssicher ist und über einen speziellen Änderungsmodus verfügt. Falls dies noch nicht gewährleistet ist, sollte man beim Software-Lieferanten auf Nachbesserung drängen. 

Erhöhte Anforderungen an die wirtschaftliche Aufklärungspflicht

In Bezug auf die wirtschaftliche Aufklärungspflicht hat der Gesetzgeber im neue bürokratische Hürden aufgebaut. So heißt es in § 630c Abs. 3 BGB: 

 

§ 630c Abs. 3 BGB

„Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist, oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften bleiben unberührt.“ 

Der Verweis auf die Textform bedeutet, dass dem Patienten die voraussichtlich anfallenden Kosten schriftlich mitgeteilt werden müssen. Da der Gesetzgeber nicht auf die GOÄ abstellt, ist es nicht zwingend erforderlich, dem Patienten etwa einen Kostenvor­anschlag in Form einer fiktiven GOÄ-Abrechnung zu erteilen. Es dürfte wohl ausreichen, wenn ihm die voraussichtlich anfallenden Kosten in Form eines konkreten Betrags schriftlich genannt werden und er darauf hingewiesen wird, dass die genaue Kostenhöhe vom Verlauf der Behandlung und eventuellen Kom­plikationen abhängt. 

Wann ist die wirtschaftliche Aufklärung entbehrlich?

Die Frage, wann die wirtschaftliche Aufklärung entbehrlich ist, wird in § 630c Abs. 4 BGB geregelt. Zitat: „Der Information des Patienten bedarf es nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Behandlung unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet hat.“ Dies dürfte bei allen Notfällen der Fall sein bzw. immer dann, wenn für eine wirtschaftliche Aufklärung keine Zeit mehr besteht und mit der Behandlung bzw. Untersuchung sofort begonnen werden muss. Eine wirtschaftliche Aufklärung des Patienten ist wei­terhin entbehrlich, wenn er hierauf schriftlich ausdrücklich verzichtet hat. 

Wenn der Patient mit einer unklaren Diagnose kommt, dürfte es ausreichen, wenn ihm die Kosten für die regelhaft bei dieser Konstellation anfallenden Maßnahmen genannt werden und er darauf hingewiesen wird, dass sich die Kosten noch erheblich erhöhen können.