LAG: Chefarzt zurecht wegen unzulässiger Privatliquidation gekündigt

von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-­Eickmann, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Mit Urteil vom 17. April 2013 hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen die außerordentliche Kündigung eines Chefarztes bestätigt, der stationäre Wahlleistungen unter Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung liquidiert hatte (LAG Niedersachsen, Urteil vom 17.4.2013, Az. 2 Sa 179/12). Das Urteil ist für alle Chefärzte mit eigenem Liquidationsrecht von grundlegender Bedeutung. 

Fall: Chefarzt erbrachte Leistung nicht persönlich, rechnete sie aber ab

Ein langjähriger Chefarzt geriet Mitte 2011 in Auseinandersetzungen mit seinem Krankenhausträger. Dieser beschuldigte ihn, wahlärztliche Leistungen auch im Falle seiner vorhersehbaren Abwesenheit als eigene Leistungen abgerechnet zu haben, obwohl er diese nicht selbst erbracht bzw. mit dem Patienten keine schriftliche Inpidualvereinbarung getroffen hatte.Konkret wurde moniert, dass mehrere Herzschrittmacher-Implantationen zwischen April 2009 und Oktober 2010 nicht durch ihn selbst durchgeführt worden seien. Trotzdem habe er – was zutrifft – die Leistung privat liquidiert. Einen im Juni 2010 erteilten Hinweis des Trägers zur persönlichen Leistungspflicht ließ der Chefarzt unbeachtet. 

Der Träger kündigte dem Chefarzt schließlich außerordentlich, also fristlos. Der Chefarzt wandte sich gegen die außerordentliche Kündigung und verlangte die weitergehende Zahlung seines Grundgehalts in Höhe von monatlich knapp 6.000 Euro. Zudem forderte er Schadenersatz für entgangene Liquidationseinnahmen in Höhe von knapp 20.000 Euro monatlich. 

Landesarbeitsgericht: Fristlose ­Kündigung war rechtmäßig

Nachdem das Arbeitsgericht Braunschweig erstinstanzlich noch zugunsten des Chefarztes entschieden hatte, hob das LAG Niedersachsen dieses Urteil auf und wies die Klage des Chefarztes vollständig ab. Der Chefarzt hätte die Implantationen nicht abrechnen dürfen, da er die Leistung weder selbst erbracht noch wirksam im Sinne des § 4 Abs. 2 GOÄ (Gebühren für eigene Leistungen) delegiert habe. 

Eine wirksame Delegation komme nur dann in Betracht, wenn der Chefarzt jederzeit unverzüglich persönlich einwirken könne – eine reine „Supervision“ genüge hingegen nicht. Die „Kernleistung“ müsse im Übrigen immer persönlich erbracht werden, was nicht geschehen sei. Den Hinweis des Chefarztes, die Patienten stets gesehen und die Eingriffe mit seinem Vertreter abgestimmt zu haben, hielt das LAG für unzureichend für eine Delegation. 

Mündliche Absprachen mit den Patienten nicht ausreichend

Da schon jahrelang die Herzschrittmacher-Implantationen nicht durch den Chefarzt, sondern durch den Vertreter erbracht wurden, habe es sich um Fälle einer vorhersehbaren Verhinderung des Chefarztes gehandelt. Es hätte daher gesonderter schriftlicher Inpidualvereinbarungen mit den Patienten bedurft, wie das LAG mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) betont. Den Einwand des Chefarztes, er habe mündliche Absprachen mit den Patienten getroffen, ließ das LAG nicht gelten: Dem stehe einerseits die BAG-Rechtsprechung entgegen, andererseits hatte der Träger dem Chefarzt während seiner Beschäftigung in einem Gespräch verdeutlicht, auf die Schriftform besonderen Wert zu legen. 

Keine vorherige Abmahnung ­notwendig

Wegen seiner langen Berufserfahrung und herausgehobenen Position hätte der Chefarzt ganz besonders um korrekte Liquidation bemüht sein müssen. Unzulässige Abrechnungen fielen negativ auf den Träger zurück und verletzten die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht, die auch vor Rufschädigungen schützen soll. Eine vorherige Abmahnung sei aufgrund der Schwere der Vertragsverletzungen, also der beharrlichen Verletzung des Grundsatzes der persönlichen Leistungserbringung, nicht nötig gewesen. 

Hinweise des Klinikträgers an den Chefarzt habe dieser unbeachtet gelassen. Eine Weiterbeschäftigung des Chefarztes ohne eigene Liquidationsrechte sei dem Träger nicht zumutbar gewesen, so das LAG. Es sei im Übrigen unbeachtlich, ob die Privatversicherer die Abrechnungen moniert hätten oder nicht. Der Chefarzt selbst sei für die Ordnungsgemäßheit der Abrechnungen verantwortlich. 

Fazit

Die Entscheidung des LAG Niedersachsen ist eine der ersten gerichtlichen Entscheidungen, die sich mit der Kündigung eines Chefarztes aufgrund unzulässiger Liquidationen beschäftigt. Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Abrechnung wahlärztlicher Leistungen längst in den Fokus arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen gerückt ist. 

Chefärzte, denen vertraglich ein eigenes Liquidationsrecht eingeräumt ist, sollten die Entscheidung zum Anlass nehmen, sich die dargelegten Anforderungen an die persönliche Leistungserbringung nochmals zu verdeutlichen. Gerade die Problematik der „persönlichen Leistungserbringung“ sowohl bei Wahlleistungen als auch bei persönlichen Ermächtigungen wird von Arbeitgebern gezielt aufgegriffen und geprüft, wenn eine Ausein­andersetzung ansteht oder eine Trennung beabsichtigt ist. Soweit entsprechende Verstöße vorliegen, führt dies zu einer ungünstigen Verhandlungsposition.