Krankenhaus Rating Report 2012 – Was tut sich in der Krankenhausversorgung?

von Dr. Boris Augurzky, Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Essen

Im Jahr 2010 hat sich die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser gegenüber 2009 leicht verbessert: Laut dem im Juni herausgegebenen „Krankenhaus Rating Report 2012“ des RWI befanden sich 10 Prozent der Krankenhäuser in 2010 im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr (2009: 12 Prozent), 80Prozent lagen im „grünen Bereich“ und die restlichen 10 Prozent dazwischen. Allerdings rechnet das RWI für 2011 mit schlechteren Daten und in 2012 mit einer weiteren Verschlechterung: Demnach dürften sich etwa 15Prozent der Krankenhäuser im „roten Bereich“ befinden.

Grundlage für diese Analysen ist eine Stichprobe von 705 Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2009, die insgesamt 1.057 Krankenhäuser umfassen, und 286 Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2010.

Investitionsfähigkeit von ­Krankenhäusern

In Bezug auf die Investitionsfähigkeit ist festzuhalten, dass 2010 nur rund 50 Prozent aller Krankenhäuser eine ausreichend hohe sogenannte EBITDA-Marge erreichten, um ihre Unternehmenssubstanz langfristig erhalten zu können. Bei privaten Krankenhäusern trifft dies auf über 80 Prozent zu, bei den nicht-privaten dagegen nur auf 40 Prozent. Die Kennzahl EBITDA (= earnings before interest, taxes, depreciation and amortization) entspricht in etwa dem Ertrag eines Unternehmens bzw. eines Krankenhauses nach Abzug der Personal- und Sachkosten und dient der Finanzierung von Investitionen.

Investitionen sind wichtig zur Erhaltung der Unternehmenssubstanz. Insbesondere ist festzustellen, dass Wirtschaftlichkeit, Qualität und Patientenzufriedenheit Hand in Hand gehen: Häuser mit qualitativen Mängeln und Häuser mit einer geringen Patientenzufriedenheit wiesen eine signifikant schlechtere EBITDA-Marge auf als solche ohne negative qualitative Auffälligkeiten.

Entwicklungen zwischen 2005 bis 2010

Der Zeitraum 2005 bis 2010 war durch eine starke Mengendynamik geprägt. Die Zahl stationärer Fälle nahm um ca. 9 Prozent zu. Da der Schweregrad der Fälle auch um etwa 9 Prozent stieg, resultierte daraus ein Zuwachs der Leistungsmenge um ca. 18 Prozent (= sogenannter „Casemix“). Diese Faktoren sowie der Anstieg des Preisniveaus zwischen 2005 und 2010 um etwas über 5 Prozent führten zu einer Erhöhung der DRG-Erlöse um etwa 25 Prozent. Nur rund 36 Prozent des Zuwachses der Leistungsmenge ist durch die demografische Entwicklung in diesem Zeitraum erklärbar, der Rest hat andere Ursachen wie etwa insgesamt erhöhte Schweregrade der Erkrankungen.

Ausblick: Rein demografiebedingt rechnen wir bis 2020 mit etwa 5 Prozent mehr Fällen als 2010. Schreibt man die vergangenen Trends mit auch nicht-demografiebedingten Steigerungen der Fälle fort, würde die Zahl der Fälle bis 2020 sogar um etwa 16 Prozent zunehmen. Bereinigt man diese Zahl um die Fälle, die in Zukunft im stärker werdenden ambulanten Bereich behandelt werden, käme man immer noch auf einen Zuwachs von 13 Prozent.

Weitere interessante Entwicklungen in den Jahren 2005 bis 2010 waren:

  • Im ärztlichen Dienst nahm die Zahl der Vollkräfte von 122.000 auf 134.000 zu.
  • Die Kosten je Vollkraft im ärztlichen Dienst stiegen um 21 Prozent, in den nicht-ärztlichen Diensten um 7 bis 11 Prozent.

Ausblick: Die Löhne für ärztliches Personal dürften auch in den nächsten Jahren weiter stärker steigen als für nicht-ärztliches Personal. Unter Berücksichtigung der erwarteten Steigerungen der Leistungsmengen und des damit zusammenhängenden Mehrbedarfs an Personal würden die Kosten bis 2020 um 39 Prozent steigen. Preiswachstum, Zunahme der Leistungs- und anderer Erlöse dürften hingegen zu Erlössteigerungen von 37 Prozent führen. Ohne Produktivitätsfortschritte würde der Anteil der Krankenhäuser im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr bis 2020 daher auf 17 Prozent steigen.

Krankenhausversorgung: Wohin geht die Entwicklung?

Auch langfristig muss davon ausgegangen werden, dass die Kosten stärker steigen als die Erlöse. Nicht alle Krankenhäuser dürften überleben: Bis 2020 könnten etwa 8 Prozent aus dem Markt ausscheiden. Von einem Ausfall besonders betroffen wären kleine, öffentlich-rechtliche und Krankenhäuser in Westdeutschland, vor allem in Teilen Bayerns, in Baden-Württemberg, in Südhessen und in Teilen Niedersachsens.

Insgesamt ist also mit einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage von Krankenhäusern zu rechnen. Somit sind geeignete Steuerungsinstrumente zu finden, um die beobachtete Mengendynamik zu bremsen und damit Ressourcen zu schonen. Dazu gibt es unter anderem folgende beiden Ansatzpunkte:

  • Um die Mengendynamik zu bremsen, wurde das Instrument des „Handels mit Abrechnungsrechten“ zwischen den Krankenhäusern neu in die Diskussion gebracht. Im Ergebnis würden weniger produktive Krankenhäuser produktiveren Häusern einen Teil ihrer Abrechnungsrechte für bestimmte Leistungsbereiche abtreten und erhielten im Gegenzug finanzielle Mittel, um Restrukturierungsmaßnahmen einleiten zu können. Nur noch Krankenhäuser würden miteinander in Kontakt treten und über Mehr- bzw. Mindermengen verhandeln. Mengenverhandlungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern gehörten der Vergangenheit an.
  • Die Indizien sprechen dafür, dass Spezialisierung auch zu Qualitätsverbesserungen führt. Schon bisher stehen Krankenhäuser mit einem höheren Spezialisierungsgrad wirtschaftlich signifikant besser da als solche mit geringerem. Für zwei Indikationen – Bauchaortenaneurysma ohne Ruptur und hüftgelenknahe Femurfraktur – konnte gezeigt werden, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der Zahl der Fälle und der Qualität gibt. Jedoch sind noch weitere Analysen dazu nötig.