Keine GEMA-Gebührenpflicht für Ärzte: GEMA stemmt sich gegen das arztfreundliche EuGH-Urteil

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Rudolf J. Gläser, Sozietät ­Hammer & Partner, Bremen, www.hammerundpartner.de

Am 15. März 2012 (Az: C-135/10) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Wiedergabe von Musik in einer Arztpraxis keine ­„öffentliche Wieder­gabe“ im Sinne der einschlägigen internationalen Verträge ist (siehe Ausgabe Nr. 6/2012). Wie zu erwarten versucht die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) die Tragweite der Entscheidung zu relativieren und Ärzte, die mit Bezug auf das EuGH-Urteil ihre GEMA-Zahlungen einstellen, zur Weiterzahlung der Gebühren zu bewegen. Von den Argumenten sollte sich aber niemand beeindrucken lassen! 

Die Argumente der GEMA

Im Wesentlichen wehrt sich die GEMA mit dem Argument, dass es sich um einen italienischen Fall handelt und die dortige Auslegung auf den Öffentlichkeitsbegriff des deutschen Urheberrechtsgesetzes nicht anwendbar sei. Daher seien die Musiknutzungen nach den Bestimmungen des deutschen Urheberrechtsgesetzes weiterhin vergütungspflichtig. 

Warum die GEMA-Argumente nicht zutreffen

Richtig ist, dass der EuGH keine Stellung zum Öffentlichkeitsbegriff des § 52 des deutschen Urheberrechtsgesetzes bezogen hat. Darauf kommt es allerdings auch nicht an. 

Entscheidend ist, dass die nationalen Gerichte der EU dazu verpflichtet sind, bei der Auslegung nationalen Rechts internationale Vereinbarungen und die Auslegung der dort enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe zu berücksichtigen. Ein solcher unbestimmter Rechtsbegriff ist nicht nur im deutschen, sondern auch im italienischen Urheberrecht und vor allem in verschiedenen internationalen Vereinbarungen der Begriff der ­„öffentlichen Wiedergabe“. Einschlägig hierfür war unter anderem die EU-Richtlinie 92/100, deren Auslegung durch den EuGH von den Gerichten der EU-Mitgliedsländer zu beachten ist. Der EuGH hat hierfür verbindliche Auslegungsmaßstäbe gesetzt, wonach eine „öffentliche Wiedergabe“ voraussetzt, 

  • dass sich der Nutzer gezielt an das Publikum wendet, für das die Wiedergabe vorgenommen wird und dass dieses „in der einen oder anderen Weise für die Wiedergabe aufnahmebereit ist“ und nicht bloß zufällig „erreicht“ wird;
  • dass hierdurch eine erhebliche und nicht unbedeutende Anzahl von Personen erreicht wird, was nicht der Fall ist, wenn der Kreis der gleichzeitig anwesenden Personen im Allgemeinen sehr begrenzt ist.

Hierzu hat der EuGH festgestellt: „Die Patienten eines (Zahn-)Arztes begeben sich nämlich zu dem einzigen Zweck in die Praxis, behandelt zu werden, und eine Wiedergabe von Tonträgern gehört nicht zur Behandlung. Die Patienten genießen zufällig und unabhängig von ihren Wünschen je nach dem Zeitpunkt ihres Eintreffens in der Praxis und der Dauer des Wartens sowie der Art der ihnen verabfolgten Behandlung Zugang zu bestimmten Tonträgern. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die normalen Patienten eines Arztes für die in Rede stehende Wiedergabe aufnahme­bereit wären.“ 

Fazit

Da diese Verhältnisse in Deutschland nicht anders sind als in Italien, gilt die Entscheidung auch für die üblichen Verhältnisse einer hiesigen Arztpraxis. Es bleibt somit dabei: Keine GEMA­-Gebührenpflicht in der Arztpraxis! Lassen Sie sich also von Schreiben der GEMA, die das Gegenteil behaupten, nicht beirren. 

In Anbetracht der Rechtslage nach dem EuGH-Urteil ist kaum anzunehmen, dass die GEMA versuchen wird, vor deutschen Gerichten ihre Auffassung durchzuklagen. Diese würden dann nämlich dem Urteil des EuGH folgend eine solche Klage der GEMA zurückweisen müssen. Die GEMA wäre schlecht beraten, es hierauf ankommen zu lassen.