Ist Ihr vereinbartes Wettbewerbsverbot ­sittenwidrig?

von Rechtsanwalt Jens Buiting, Buiting & Partner, Düsseldorf

In der Regel wird jeder Vertragsarzt mindestens zweimal während seines Berufslebens mit der Frage des Konkurrenzschutzes konfrontiert – nämlich beim Kauf und Verkauf einer Praxis oder eines Praxisteils. Vielfach kommt die Vereinbarung des Konkurrenzschutzes in Gesellschaftsverträgen hinzu. Bei diesen empfiehlt es sich, sie von Zeit zu Zeit daraufhin zu überprüfen, ob sie sachgerecht oder überhaupt zulässig sind. Nachfolgend wird dargestellt, worauf dabei zu achten ist. Insbesondere wird auch auf die Unterschiede bei Praxisübernahmeverträgen und Gesellschaftsverträgen von Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) eingegangen. 

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots zwischen Ärzten zwar grundsätzlich zulässig. Ein solches ist jedoch nur dann wirksam, wenn es durch ein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt ist und zeitlich, örtlich und gegenständlich das notwendige Maß nicht überschreitet. 

Konkurrenzschutz im Praxisübernahmevertrag

Das berechtigte Interesse des Erwerbers einer Einzelpraxis oder eines Anteils an einer BAG liegt auf der Hand. Ein weiteres Tätigwerden des Abgebers im direkten Umfeld würde in den meisten Fällen dazu führen, dass die Patienten dem abgebenden Arzt folgen und ihn in seiner neuen Praxis aufsuchen. Die Gefahr verringert sich bei der Übernahme eines BAG-Anteils je nach Anzahl der Gesellschafter. Fraglich sind jedoch die Grenzen des Wettbewerbsverbotes. 

1. Zeitliche Ausdehnung 

Das Wettbewerbsverbot muss zeitlich begrenzt werden. Ein Wettbewerbsverbot ohne zeitliche Begrenzung ist sittenwidrig und damit insgesamt unwirksam. 

Bei der Dauer der zeitlichen Begrenzung kommt es insbesondere auf die Bestandsdauer der Praxis an. Im Ergebnis sollte nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung eine Dauer von zwei bis drei Jahren nicht überschritten werden. Allerdings kann eine zu weit gehende zeitliche Einschränkung vom Gericht geltungserhaltend auf eine angemessene Dauer reduziert werden. Wichtig ist daher, dass überhaupt eine Begrenzung vorhanden ist. 

2. Räumliche Ausdehnung 

Deutlich problematischer ist die Festlegung der räumlichen Grenzen. Diese werden durch ein Gericht nicht geltungserhaltend reduziert, sondern bei Überschreitung der angemessenen Reichweite ist das gesamte Wettbewerbsverbot sittenwidrig und damit unwirksam. 

Bei der räumlichen Grenze kommt es auf den Einzugsbereich der Praxis an. Dabei spielt es keine Rolle, wenn vereinzelt Patienten aus weiter entfernten Regionen kommen. Es muss der Haupteinzugsbereich bestimmt werden. Bei Hausarztpraxen wird dieser in der Regel nicht über den Stadtteil oder den Ort der Praxis hinausgehen. Facharztpraxen und somit auch Radiologen haben grundsätzlich einen größeren und bei „speziellen Leistungen“ auch einen sehr viel größeren Einzugsbereich. 

Bei Hausarztpraxen in städtischen Gebieten wird daher im Normalfall ein Wettbewerbsverbot mit einem Radius von 2 km um die Praxis bzw. für den Stadtteil angemessen sein. Bei Facharztpraxen sind es zwischen 5 und 10 km. In ländlichen Gebieten hängt es stark vom Einzelfall ab, sodass hier kaum eine feste Aussage zu machen ist. 

Das Wettbewerbsverbot kann dabei auch gesplittet werden, zum Beispiel grundsätzlich 10 km, aber für MRT-Leistungen 20 km, da aufgrund der hohen Investitionskosten ein stärkerer Schutz als bei anderen Leistungen notwendig ist. 

3. Gegenständliche Ausdehnung 

Zuletzt muss das Wettbewerbsverbot auch bei der inhaltlichen Festlegung der „untersagten“ Tätigkeit in bestimmten Grenzen erfolgen. Es darf nur die konkurrierende Tätigkeit ausgeschlossen werden und nicht jede Tätigkeit als Arzt. Dies käme einem Berufsverbot nahe und führt zur Sittenwidrigkeit. 

Untersagt werden kann nur die Niederlassung mit gleicher fachlicher Ausrichtung wie zuvor. Auch die Anstellung im Krankenhaus oder in sonstigen Einrichtungen zur stationären Behandlung kann nicht verboten werden. 

Konkurrierende Tätigkeit liegt dagegen bei einer Anstellung im MVZ, einer anderen Arztpraxis oder im Krankenhaus zur Erbringung ambulanter Leistungen vor. 

Konkurrenzschutz im Gesellschaftsvertrag

Die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes in einem Vertrag über eine Berufsausübungsgemeinschaft unterliegt noch einmal deutlich engeren Grenzen. Beim Verkauf einer Einzelpraxis oder eines Praxisanteils hat der Abgeber durch den Erhalt des Kaufpreises bereits den Wert der Praxis realisiert und ist weniger schützenswert. Beim Ausstieg aus einer BAG ist jedoch auch der Ausscheidende zu schützen. 

1. Zeitliche Ausdehnung 

Zeitlich ist eine Dauer von zwei Jahren als Obergrenze anzusehen. Bei einer zeitlich sehr kurzen Zusammenarbeit von ein bis drei Jahren kann jedoch auch nur eine Dauer des Wettbewerbsverbotes von sechs Monaten angemessen sein. 

2. Räumliche Ausdehnung 

Bei der räumlichen Reichweite ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Bedarfsplanung keine Niederlassungsfreiheit besteht. Wenn dem Ausscheidenden ein Tätigwerden im gleichen Planungsbereich verwehrt wird, kommt dies einem Berufsverbot gleich. Daher muss möglicherweise auch die Niederlassung im Einzugsbereich der Praxis erlaubt bleiben. Dies kann dann bei der Regelung der Abfindung berücksichtigt werden. 

3. Inhaltliche Ausdehnung 

Auch hier ist die konkurrierende Tätigkeit zunächst entscheidend. Im Einzelfall muss jedoch Rücksicht auf spezialisierte Leistungsfelder des Ausscheidenden genommen werden, wenn ein Verbot wiederum einem Berufsverbot nahe käme. 

Anpassung bestehender Gesellschaftsverträge sinnvoll?

Sollten Sie unsicher sein, ob das vereinbarte Wettbewerbsverbot in Ihrem Gesellschaftsvertrag wirksam ist, sollten Sie dieses überprüfen lassen. Im Hinblick auf mögliche Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Gesellschafter, die leider immer vorkommen können, sollte der Gesellschaftsvertrag an dieser Stelle rechtzeitig vor einem Streit und einer Trennung durch einen Gesellschaftsbeschluss angepasst werden. 

Fazit

Beim Verfassen eines Wettbewerbsverbotes müssen die Umstände der jeweiligen Praxis im Einzelfall berücksichtigt werden. Überschreitet man das zulässige Maß, ist die Regelung meist sittenwidrig und insgesamt unwirksam, sodass eine konkurrierende Niederlassung im Nebengebäude zulässig wird. Daher sollte man eher zurückhaltender an die Formulierung der Grenzen herangehen. Im Falle einer Berufsausübungsgemeinschaft ist zu überlegen, ob man nicht besser völlig auf ein Wettbewerbsverbot verzichtet und stattdessen die Abfindungsregelungen anpasst.