Herausgabe von Patientendaten: Wie weit geht der Anspruch aus der DS-GVO?

von RA, FA für MedizinR Tim Hesse, Kanzlei am Ärztehaus, Münster/Dortmund, kanzlei-am-aerztehaus.de

Ein Patient kann seinen Anspruch auf die Herausgabe von Behandlungsunterlagen sowohl auf § 630g BGB als auch auf Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) stützen. Beide Ansprüche stehen gleichberechtigt nebeneinander. Zur Erfüllung des Datenschutz-Auskunftsanspruchs muss die erstmalige Herausgabe kostenlos erfolgen. Dies hat das Landgericht (LG) Dresden bestätigt (Urteil vom 29.05.2020, Az. 6 O 76/20). Doch sind nach der DS-GVO wirklich alle Patientendaten kostenfrei zu übermitteln, also z. B. auch die Bilddateien von Radiologen?

Sachverhalt

Vor dem LG Dresden forderte eine Patientin von einem Krankenhaus, in dem sie behandelt worden war, die unentgeltliche Übermittlung der Behandlungsunterlagen auf elektronischem Weg im PDF-Format. Da Behandlungsfehler zu einer Beeinträchtigung ihrer Sehfähigkeit geführt hätten, gehe sie von einem Schmerzensgeldanspruch aus. Die Klinik zog sich auf den Standpunkt zurück, eine Übersendung der Unterlagen auf einem Datenträger sei lediglich gegen ein Entgelt von 5,90 Euro zuzüglich Versandkosten möglich.

Entscheidungsgründe

Das Gericht verurteilte die Klinik, der ehemaligen Patientin unentgeltliche Auskunft über die bei ihr gespeicherten personenbezogenen Daten durch Übermittlung der vollständigen Behandlungsdokumentation im pdf-Format zu erteilen. Damit „vermischte“ das LG offenbar die von der Patientin geltend gemachten „Auskunftsansprüche“. Denn einerseits konstatierte das Gericht, ihrem Auskunftsverlangen sei vollumfänglich zu entsprechen. Andererseits ließ es ausdrücklich offen, ob der datenschutzrechtliche Anspruch tatsächlich so weit reicht wie der aus § 630g Abs. 1 S. 1 BGB oder der aus § 12 des ärztlichen Berufsrechts. Nach diesen Vorschriften ist unbestritten jeweils grundsätzlich die gesamte Patientenakte zur Einsicht bereitzustellen bzw. zu kopieren. Die Zurückhaltung in dieser Frage begründete das Gericht damit, dass der Patientin bis zum Urteilsspruch noch keinerlei Auskunft erteilt worden war.

Hintergrund: Der Zwei-Stufen-Anspruch aus Art. 15 DS-GVO

Nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO kann ein Patient Auskunft darüber verlangen, ob der Verantwortliche (i. d. R. der Praxisinhaber oder der Klinikträger) personenbezogene Daten über ihn verarbeitet. Ist dies der Fall, hat der Betroffene das Recht zu erfahren, welche personenbezogenen Daten das sind. Im Übrigen muss der Verantwortliche über Verarbeitungszwecke, die Kategorien der personenbezogenen Daten, Empfänger und Empfängerkategorien, Speicherdauer, das Beschwerderecht und andere Betroffenenrechte, die Herkunft der Daten sowie eine eventuelle automatisierte Entscheidungsfindung oder Profiling Auskunft erteilen.

Merke

Darüber hinaus gewährt Art. 15 Abs. 3 DS-GVO dem Patienten ein Recht auf Aushändigung einer Kopie seiner verarbeiteten personenbezogenen Daten. Dabei steht fest:

  • Eine eingegangene Anfrage ist binnen eines Monats zu beantworten.
  • Die Ansprüche sind in der Form zu erfüllen, die der Betroffene wünscht (also z. B. schriftlich oder auf elektronischem Wege).
  • Die erste angeforderte Datenkopie ist unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
  • Eventuell ersichtliche Daten Dritter in den Unterlagen sind im Vorfeld der Herausgabe unkenntlich zu machen.

 

Die Kernfrage bleibt ungeklärt

Angesichts der Pflicht zur kostenlosen Auskunft stützen Patienten ihre Herausgabeverlangen zunehmend häufig (auch) auf Art. 15 DS-GVO. Fraglich ist, ob dieser Anspruch seinem Umfang nach tatsächlich genauso weit reicht wie die bisher bekannten Ansprüche. Bei der Beantwortung dieser Frage war das LG Dresden keine große Hilfe.

Und so bleibt die rechtliche Beurteilung des Verlangens schwierig, wenn sich in der Behandlungsakte eines Arztes nicht ausschließlich personenbezogene Daten befinden, die dem Patienten ohne weitere Informationen zugeordnet werden oder irgendwie zugeordnet werden können. Dann stellt sich die Frage, ob der Verantwortliche Teile der Patientenakte zurückhalten darf.

Greift die DS-GVO hier kürzer?

Nachvollziehbar wird in diesem Zusammenhang etwa von behördlicher Seite vertreten, der Begriff der Kopie in Art. 15 DS-GVO sei lediglich als „sinnvoll strukturierte Zusammenstellung“ der ärztlich verarbeiteten personenbezogenen Daten zu verstehen. Denn in Art. 15 Abs. 3 S. 1 DS-GVO sei lediglich von einer Kopie der „personenbezogenen Daten“ und gerade nicht von einer Kopie der Unterlagen, Dokumente oder Akten, in denen diese enthalten sind, die Rede. Zudem zielt der Zweck des Auskunftsanspruchs der DS-GVO primär auf datenschutzrechtliche Belange ab. Hiernach greift der DS-GVO-Anspruch kürzer als der aus § 630g Abs. 1 BGB.

Fazit

Inwieweit der datenschutzrechtlich Verantwortliche (z. B. ein Praxisinhaber oder ein Krankenhaus) darauf bestehen darf, Teile einer Patientenakte nur gegen Entgeltzahlung herauszugeben, ist bisher nicht abschließend geklärt. Abzuwägen ist, ob der Verantwortliche im Einzelfall unter erheblichem Zeitaufwand prüfen möchte, welche in der Patientenakte vorhandenen Daten personenbezogene Daten im Sinne der DS-GVO darstellen – um womöglich zu dem Ergebnis zu gelangen, dass dies auf alle wesentlichen gespeicherten Daten zutrifft. CT- oder MRT-Bilder stellen zweifellos solche Daten dar. Bei einem Streit mit dem Patienten riskiert der Verantwortliche zudem eine Auskunftsklage sowie Anzeigen bei der Datenschutzbehörde und der Ärztekammer. Die praktisch eigentlich zu beantwortende Frage dürfte sein, ob es sich lohnt, dies zu riskieren.