Haftungsverschärfung für Ärztepartnerschaften

von RA Dr. Peter Wigge, Fachanwalt für Medizinrecht, und RA Björn Canders, Rechtsanwälte Wigge, Münster, www.ra-wigge.de

Die Partnerschaftsgesellschaft steht Ärzten seit dem 1. Juli 1995 als Rechtsform für eine Berufsausübungsgemeinschaft zur Verfügung. Im ärztlichen ­Bereich wird diese Rechtsform zunehmend akzeptiert und besonders bei überörtlichen Kooperationen genutzt. Der wichtigste Grund für die Wahl dieser Rechtsform ist, dass – im Gegensatz zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – die Haftung für Behandlungsfehler auf die Partner, die mit der Sache befasst waren, beschränkt wird (§ 8 Abs. 2 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz [PartGG]). Dieses Haftungsprivileg hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun allerdings mit Urteil vom 19. November 2009 (Az: IX ZR 12/09) zum Nachteil neu eintretender Partner ausgelegt: Demnach kann ein Partner auch dann haften, wenn er erst nach Schadens­eintritt Partner geworden ist und keinen eigenen Beitrag zum Schaden geleistet hat. Mit dieser Entscheidung hat der BGH die Haftungsvoraussetzungen erheblich verschärft und damit das Haftungsprivileg deutlich entwertet. 

Haftungsgrundsätze der Partnerschaftsgesellschaft

Die Partnerschaftsgesellschaft wurde entwickelt, um die Attraktivität der Personengesellschaften durch günstigere Haftungsregelungen zu erhöhen. Der privilegierten Haftung stehen lediglich der größere Verwaltungsaufwand und geringfügig höhere Kosten entgegen, da Partnerschaft und Partner im Partnerschaftsregister einzutragen sind. 

Dies gilt auch bei einem Partnerwechsel. Dafür sind die Partner in haftungsrechtlicher Hinsicht nach den gesetzlichen Vorgaben günstiger gestellt, wenn es sich um berufliche Fehler handelt. Für allgemeine Verbindlichkeiten, etwa Bankkredite oder Ansprüche aus Leasing- oder Kaufverträgen, haften dagegen – wie in der GbR – auch in der Partnerschaftsgesellschaft alle Partner neben der Gesellschaft mit ihrem Privatvermögen. Das unternehmerische Risiko einer Partnerschaftsgesellschaft wird also gemeinsam getragen. Für berufliche Fehler, insbesondere also Behandlungsfehler, haften jedoch nach § 8 Abs. 2 PartGG nur die Partner, die mit der Bearbeitung des jeweiligen Auftrages befasst waren. 

Um dem Arbeitsalltag unter Kollegen Rechnung zu tragen, sind zudem die Partner von der Haftung ausgenommen, die zwar an der Behandlung beteiligt waren, deren Anteil an der Behandlung jedoch nur von untergeordneter Bedeutung war. Dies kann insbesondere für Ärzte von Bedeutung sein, denen in der Gesellschaft noch kein eigenständiger Aufgabenbereich übertragen wurde. 

BGH sieht verschuldensunabhängige Haftung

In dem Urteilsfall ging es um einen Fehler eines Anwalts einer partnerschaftlich organisierten Anwaltskanzlei, für dessen Fehler letztlich ein neuer Partner, der den Fall übernahm, haften musste. Der BGH hat sich in seinem Urteil für eine sogenannte verschuldensunabhängige Haftung entschieden. Ob der Partner haftet, bestimmt sich mithin ausschließlich nach dem Umfang, wie er sich mit der Sache befasst. Ein Partner hat sich mit der Sache befasst, wenn er den Auftrag selbst bearbeitet hat. Eine Befassung liegt desweiteren vor, wenn er die Bearbeitung überwacht hat oder dies hätte tun müssen. Maßgeblich sei der Schutz der Geschädigten – welcher Partner den Fehler begangen habe, darauf komme es nicht an. 

Nach Auffassung des BGH bezieht sich der in § 8 Abs. 2 PartGG angeordnete Haftungsausschluss nur auf Partner, die mit der Angelegenheit nicht oder nur „in untergeordneter Weise“ befasst waren. Die Gesetzesbegründung nennt hierzu beispielhaft Urlaubsvertretungen ohne inhaltliche Bearbeitung oder den konsiliarischen Rat eines Kollegen aus einem anderen Berufsfeld. Auch beiläufige Ratschläge ohne nähere Befassung mit der Sache sollen von untergeordneter Bedeutung sein. 

Hinweis: Auf Ärztepartnerschaften bezogene Urteile sind bislang nicht ergangen. Es liegt indes nahe, Tätigkeiten des Kernbereichs der ärztlichen Arbeit nicht als untergeordnet anzusehen. Aufklärung, Behandlung, Diagnose und Auswertung sind daher nicht als untergeordnete Beiträge anzusehen. 

Auswirkungen des BGH-Urteils auf die Praxis

Aufgrund der Aufweichung des Haftungsprivilegs für einen in eine Ärztepartnerschaft beitretenden Arzt ist dieser gehalten, sich intensiv darüber zu vergewissern, dass auch für die Zeit vor seinem Beitritt das Risiko aus beruflichen Fehlern ausreichend versichert ist. Hinzu kommen nun erhöhte Überprüfungspflichten, sofern in begonnene Untersuchungen bzw. Behandlungen eingetreten wird. Diesbezüglich sollte sich der eintretende Arzt von den übrigen Partnern zumindest im Innenverhältnis eine Haftungsfreistellung in schriftlicher Form aushändigen lassen. 

Der einer ärztlichen Partnerschaftsgesellschaft beitretende Arzt muss sich auch darüber informieren, dass die besonders haftungsträchtige Abrechnung mit der Kassenärztlichen Vereinigung nicht unter das Haftungsprivileg fällt mit der Folge, dass er möglicherweise persönlich für Rückforderungen in Anspruch genommen werden kann. Es ist daher ratsam, eine klare Abgrenzung der Aufgabenbereiche sicherzustellen. 

Fazit und Bewertung

Obwohl sich die Entscheidung des BGH in das strenge Haftungsrecht der Personengesellschaften einfügt, läuft sie doch dem erklärten Zweck des § 8 Abs. 2 PartGG zuwider. Der Gesetzgeber wollte die Haftungsrisiken in der Partnerschaft verringern. Die Anwendung des § 8 Abs. 2 PartGG wäre nicht wesentlich komplizierter geworden, wenn die Haftung für den Fall ausgeschlossen bliebe, dass der Partner keinen Beitrag zum Schaden geleistet haben kann.