„Für die Akutmedizin ist das mobile Niedrigfeld-MRT eine Revolution!“

Die Neonatologie des Universitätsklinikums Bonn (UKB) setzt ein mobiles MRT zur Diagnostik bei Früh- und Neugeborenen ein. Das Gerät ist an einer deutschen Klinik bisher einmalig. Sein Einsatz geht auf Prof. Dr. Hemmen Sabir zurück, Oberarzt der Abteilung Neonatologie und pädiatrische Intensivstation sowie Leiter der Experimentellen Neonatologie des UKB. Ursula Katthöfer ( textwiese.com ) fragte ihn nach seinen Erfahrungen mit dem mobilen MRT.

Redaktion: Was sind die technischen Besonderheiten des mobilen MRT?

Prof. Sabir: Es handelt sich um ein Niedrigfeld-MRT mit einer sehr geringen magnetischen Feldstärke von 0,06 Tesla. Der Magnet rotiert nicht um den Patienten. Stattdessen liegt der Patient zwischen zwei Magnetplatten, die in unterschiedlichen Frequenzen ein- und ausgeschaltet werden. Wegen der niedrigen Feldstärke können die Eltern bei ihrem Kind bleiben, ihm die Hand halten oder es mit einem Schnuller beruhigen. Das Kind braucht keine besondere Kleidung. Selbst Metallknöpfe am Schlafsack haben keinen negativen Einfluss, es gibt keine Artefakte. Einziges Ausschlusskriterium des Herstellers ist, dass der Patient keinen Herzschrittmacher haben darf. Eine Vorsichtsmaßnahme, die uns so gut wie nicht betrifft.

Redaktion: Was untersuchen Sie?

Prof. Sabir: Ein großer Schwerpunkt unserer Abteilung am UKB liegt neben der Versorgung von Frühgeborenen auf Neugeborenen, die mit einer Fehlbildung des Gehirns, des Herz-Lungen-Apparats oder des Magen-Darm-Trakts zur Welt kommen. Gerade bei diesen Kindern ist eine engmaschige Überwachung entscheidend, um die richtige Therapie zu finden und rechtzeitig einzugreifen. Patienten mit einer Zwerchfellhernie sind z. B. wochen- bis monatelang auf unserer Station, weil sie keine funktionsfähige Lunge haben und auf die Intensivmedizin angewiesen sind. Sie erhalten viele Medikamente und werden oftmals analgosediert. Für die Entwicklung ihres neugeborenen Gehirns kann dies relativ toxisch sein, zumal v. a. Frühgeborene ein sehr unreifes Gehirn haben.

In einer Studie möchten wir nun herausfinden, wann die vulnerable Phase der Hirnentwicklung ist und wie wir z. B. die Medikation und die Beatmung optimieren können. Müssen wir die Kinder nach der Geburt tief sedieren, obwohl sie schwer krank sind? Oder macht das womöglich gar keinen Unterschied oder kann es sich negativ auswirken? Dazu vergleichen wir die Bildgebung des mobilen MRTs mit der Standard-Bildgebung des Ultraschalls.

Redaktion: Wie profitieren die Kinder?

Prof. Sabir: Bislang haben wir etwa 30 Neu- und Frühgeborene mit dem mobilen MRT untersucht. Das Kleinste wog 400 g. Eine kleine Gruppe waren ECMO-Patienten, bei denen sich individuell Hinweise auf einen Infarkt bzw. eine Hirnblutung ergeben hatten. Bisher war bei ihnen eine CT-Bildgebung notwendig, um zu entscheiden, ob es eine Hirnschädigung gibt, welche die Prognose des Patienten verändert. Es war bei diesen instabilen Patienten ein großer und risikoreicher Aufwand, mit ihnen das Gebäude zu wechseln, um sie in die radiologische Abteilung zu bringen. Nun können wir das mobile MRT an das Bett des Kindes heranrollen, sodass wir es maximal 60 cm bewegen müssen. Auch bei Neugeborenen mit anderen Indikationen hätten wir nicht die Möglichkeit gehabt, sie mehrmals ins MRT zu transportieren. Die Eltern hätten nicht eingewilligt, es hätte kaum einen Kosten-Nutzen-Vorteil gegeben. Das ist nun anders.

Redaktion: Werden die Kinder dabei sediert?

Prof. Sabir: Nein, das ist auch beim Standard-MRT heutzutage nicht mehr üblich. Bei Babys nutzen wir „feed-and-wrap“. Sie bekommen die Flasche oder die Brust. Wenn sie gut gesättigt sind, werden sie eingepuckt. Sie schlummern und brauchen keine Sedierung. Ausnahmen gibt es bei speziellen Untersuchungen, die sehr lange dauern. Schwer erkrankte Kinder wie unsere ECMO-Patienten sind wegen ihrer Erkrankung ohnehin analgosediert.

Redaktion: Die Gretchenfrage lautet: Wie ist die Bildqualität des mobilen Niedrigfeld-MRTs?

Prof. Sabir: Je nach Alter der Patienten reicht sie von schlecht bis sehr gut. Bei einem extremen Frühchen, das nur wenige Hundert Gramm wiegt, ist der Ultraschall deutlich überlegen, weil das Gehirn nur wenig myelinisiert ist. Verwenden wir aber die Bildgebung, um das Kleinhirn oder den Hirnstamm zu befunden, eignet sich der Ultraschall weniger gut. Ist die Fontanelle der Kinder geschlossen, also ab dem Alter von sechs bis acht Monaten, ist die Bildqualität des Niedrigfeld-MRTs extrem gut, deutlich besser als das CT.

Redaktion: Was heißt das für die Erwachsenenmedizin?

Prof. Sabir: Für die Notfall- oder Intensivmedizin ist das Gerät eine Revolution. Denn es hilft, eine akute Blutung, einen akuten Tumorprogress oder ein Trauma nach einem Unfall zu identifizieren. Für Kontrollen nach einer Operation oder einer Ventrikeldrainage eignet es sich sehr gut, da Komplikationen schnell ausgeschlossen werden können. Man darf aber nicht den Fehler begehen, zu denken, dass es das 1,5-Tesla-MRT ersetzt. Wenn es darum geht, feine Veränderungen zu beurteilen, ist das Niedrigfeld-MRT nicht das Standardgerät. Auch für die Zahnmedizin, die kleine Strukturen im Zahnschmelz befundet, eignet es sich weniger.

Redaktion: Das UKB ist deutschlandweit die einzige Klinik, die das mobile MRT nutzt. Wie kommt das?

Prof. Sabir: Mein wissenschaftlicher Schwerpunkt ist seit vielen Jahren die therapeutische Hypothermie – in Deutschland eine Standardtherapie bei Neugeborenen, die bei der Geburt einen Sauerstoff- und Durchblutungsmangel erlitten haben. In Entwicklungsländern kommt der Sauerstoffmangel deutlich häufiger vor, doch die Kühlung ist dort nicht wirksam. Man bringt sogar mehr Kinder damit um. Dieses Thema und die Frage, warum das so ist, interessiert auch die Bill & Melinda Gates Foundation, die sich seit vielen Jahren für eine bessere Gesundheit von Müttern und Kindern in Entwicklungsländern einsetzt. Ich werde von der Stiftung gefördert und gehöre einem wissenschaftlichen Konsortium an, das eine Studie in Südafrika zur therapeutischen Hypothermie vorbereitet. Bei einem unserer Meetings stellte die Bill & Melinda Gates Foundation die Firma Hyperfine vor, die das Niedrigfeld-MRT in den USA auf den Markt gebracht hat. Ich habe das Gerät gesehen und so lange gefragt, bis ich eins bekommen habe.

Redaktion: Hat das Gerät in Europa bereits eine Zulassung als Medizinprodukt?

Prof. Sabir: Nein, es ist noch nicht CE-zertifiziert, doch in den USA von der FDA zugelassen. Für den Hersteller steht der Akuteinsatz an Kopf und Gelenken im Fokus. Es bietet sich für Entwicklungsländer an, weil es überall eingesetzt werden kann, wo es eine Steckdose gibt. Sein Stromverbrauch ist nicht höher als der einer Kaffeemaschine. Die Stiftung hat 20 Stück gekauft, von denen in Europa nur zwei klinisch eingesetzt werden, eines in London und eines bei uns. Acht sind in europäischen Forschungsinstituten, denen wir mit unseren Bildern z. B. helfen, die T2w zu optimieren.

Redaktion: Könnte das Gerät in Zukunft für Praxen und MVZ eine Ergänzung des Geräteparks sein?

Prof. Sabir: Absolut. Es kostet 300.000 US-Dollar, also viel weniger als ein Standard-MRT. Da es wenig Strom verbraucht, ist auch der Unterhalt geringer. Niedergelassene Radiologen können schauen, wo das Gerät seine Nische findet. Ich glaube jedoch, dass das Gerät primär in Kliniken und der Akutmedizin eingesetzt werden wird.

Weiterführende Hinweise

  • Sabir, H., Kipfmueller, F., Bagci, S. et al.: Feasibility of bedside portable MRI in neonates and children during ECLS. Crit Care 27, 134 (2023). doi.org/10.1186/s13054-023-04416-7