Ermittlungen gegen Radiologen: Betrugsverdacht wegen Falschabrechnung

von RA und FA für Medizinrecht Rainer Hellweg, Kanzlei Schroeder-Printzen, Kaufmann & Kollegen, Hannover, www.spkt.de

Nach Presseberichten kam es kürzlich zu Razzien und Festnahmen gegen Radiologen insbesondere in Berlin. Diese werden von der Staatsanwaltschaft verdächtigt, privatärztliche radiologische Leistungen falsch abgerechnet zu haben. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die Sachlage und den rechtlichen Hintergrund zur Delegationsfähigkeit radiologischer Leistungen. 

Vorwurf der Leistungserbringung ohne anwesenden Arzt

Im Zuge der Ermittlungen wurden laut Presseberichten zahlreiche Wohnungen und Arztpraxen durchsucht und sogar zwei Ärzte verhaftet. Der Vorwurf geht dahin, dass Patienten systematisch zu MRT-Untersuchungen in eine Einrichtung überwiesen worden seien, in der kein Arzt tätig war. Die MRT-Untersuchungen seien ohne ärztliche Beteiligung und Überwachung durchgeführt worden und die Auswertung der Bilder sei durch einen an einem anderen Ort ansässigen Radiologen erfolgt, der keinerlei Kontakt zu den Patienten gehabt habe. Gleichwohl seien die Leistungen gegenüber dem Patienten privatärztlich nach GOÄ abgerechnet worden. 

Voraussetzungen für Delegation radiologischer Leistungen

Eine rechtsverbindliche Auflistung oder eine gesetzliche Regelung darüber, welche radiologischen Leistungen auch an nicht-ärztliche Mitarbeiter delegiert werden dürfen, existiert nicht. Soweit nicht die Eigenart der radiologischen Untersuchung das persönliche Handeln des Arztes erfordert, kommt eine Delegationsfähigkeit aber grundsätzlich in Betracht. So dürfte etwa die technische Erstellung des Röntgenbildes unzweifelhaft delegationsfähig sein. 

Dabei ist nicht erforderlich, dass der Arzt persönlich mit im Röntgenraum anwesend ist. Allerdings fordert § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ für die Abrechenbarkeit privat­ärztlicher Leistungen, dass diese „unter Aufsicht nach fachlicher Weisung“ eines Arztes erbracht wurden. Hieraus wird gefolgert, dass der Radiologe für Rückfragen kurzfristig erreichbar sein muss. Er sollte sich zumindest „in Rufweite“ aufhalten. 

Genuin ärztliche Leistungen sind a priori nicht delegationsfähig. Dies gilt zum Beispiel für die Beurteilung der erstellten Röntgenaufnahmen und die Befundung. Wenn – wie offenbar in dem Berliner Fall – die Aufnahmen durch einen Radiologen an einem ganz anderen Ort ausgewertet werden, begegnet dies grundsätzlichen vergütungsrechtlichen Bedenken. 

Bei Verstößen drohen strafrechtliche Konsequenzen

Dass Verstöße gegen Abrechnungsregeln nicht nur zum Verlust der Honorarforderungen führen, sondern auch gravierende straf- und disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können, zeigen einmal mehr die Ermittlungen im aktuellen Fall. Wenn systematisch und regelhaft falsch abgerechnet wird, ist man juristisch schnell beim Abrechnungsbetrug. Auf diesem Felde ist derzeit eine verstärkte Tätigkeit der Staatsanwaltschaften zu beobachten. 

 

Praxishinweis

Wer größtmögliche Rechtssicherheit anstrebt, kann sich an die Ärztekammer wenden. Dies zwecks Prüfung und Stellungnahme, ob die konkrete ­Vorgehensweise der Delegation in der radiologischen Praxis oder Klinik unbedenklich ist und den vergütungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Auch wenn die Ärztekammer kein rechtsgültiges „Prüfsiegel“ vergibt, könnte bei positiver Stellungnahme der Kammer zumindest der für den Tatbestand des Abrechnungsbetrugs erforderliche Vorsatz im Vorhinein verhindert werden. Allerdings ist Vorsicht geboten: Vor Einschaltung der Ärztekammer sollte genau geprüft werden, welche Sachverhalte dort zur Kenntnis gegeben werden, um keine „schlafenden Hunde zu wecken“.