Erleichterte Trennung einer Berufsausübungsgemeinschaft

von StB Björn Ziegler, Kanzlei LZS Steuerberater, Würzburg

Wenn Ärzte einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) getrennte Wege gehen, wird oft Praxisinventar mitgenommen oder eine Abfindung gezahlt. Dies hat in der Vergangenheit hohe Steuern ausgelöst. Doch der Bundesfinanzhof (BFH) hat inzwischen die steuerneutrale Auseinandersetzung deutlich vereinfacht (Urteil vom 17.09.2015, Az. III R 49/13 ).

Steuerneutralität nur bei Buchwertfortführung 

Ob und in welcher Höhe bei einer Trennung Steuer anfällt, hängt von der sogenannten Buchwertfortführung ab. Damit wird ein Gegenstand beim Übernehmer in gleicher Höhe steuerlich angesetzt wie beim Übergeber. Es wird nicht danach gefragt, ob der echte Wert tatsächlich höher ist.

Beispiel

Der Praxis-Pkw ist auf einen Euro abgeschrieben und wird der Tochter zur Privatnutzung geschenkt.

Die Folgen sind: Ist der Pkw 10.000 Euro wert, muss der Arzt – durch die Entnahme des Betriebs-Pkw aus dem Betriebsvermögen – sogenannte stille Reserven von 9.999 Euro als Entnahmegewinn versteuern. Er hätte den Pkw schließlich auch für 10.000 Euro verkaufen und so einen Praxisgewinn erzielen können.

 

Beispiel

Der Praxis-Pkw wird zukünftig für eine umfangreiche (nicht ärztliche) Dozententätigkeit des Arztes genutzt.

Die Folgen sind: Der Pkw wandert von dem Praxis-Betriebsvermögen in das zweite Betriebsvermögen „Lehrtätigkeit“. Hierfür gibt es im Steuerrecht die Buchwertfortführung, sodass in der Arztpraxis ein Euro ausgebucht und im Betriebsvermögen der Lehrtätigkeit ein Euro eingebucht wird. Es wird keine Entnahme ausgelöst, die die Besteuerung der stillen Reserven mit sich brächte.

 

Austritt eines BAG-Partners nach altem Recht 

Bislang galt jedoch keine Buchwertfortführung, sondern eine Sachwertabfindung, wenn ein Arzt aus einer BAG ausschied und als Abfindung einen ganzen Standort oder einzelne Einrichtungsgegenstände erhielt. Die Folgen waren:

  • Der Ausscheidende tauschte seinen Gesellschaftsanteil gegen einen Geldanspruch ein und musste den Mehrwert versteuern. Er erzielte einen Gewinn aus der Aufgabe seiner Gesellschafterstellung.
  • Im Gegenzug stiegen die Buchwerte aller Positionen des Praxisvermögens an, in denen stille Reserven stecken. Die verbleibenden Gesellschafter tätigten einen zusätzlichen Verkauf von Inventar etc., wenn sie den Geldanspruch durch die Hingabe von Praxisvermögen (= Anlagevermögen) beglichen. Dem Verkaufsgewinn stand spiegelbildlich neues Abschreibungspotenzial gegenüber.

Sonderfall: Auflösung der gesamten BAG 

Eine Buchwertfortführung kam bisher nur in Betracht, wenn alle Gesellschafter getrennte Wege gingen. Nur die Gesamtauflösung und Zerschlagung der Gemeinschaftspraxis erfüllte also die Voraussetzungen einer steuerneutralen „Realteilung“ i. S. von § 16 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG).

Austritt eines BAG-Partners nach neuem Recht 

Jetzt wird der Begriff „Realteilung“ nach dem Sinn der Vorschrift steuerlich neu definiert (BFH, Urteil vom 17.09.2015, Az. III R 49/13): Die Buchwertfortführung soll sinnvolle Umstrukturierungen fördern – und das ist bei einer Trennung von Gesellschaftern gegeben. Statt fiktive Gewinne zu versteuern, teilen die sich trennenden Gesellschafter z. B. ihre bisherigen Praxisstandorte einfach auf zwei neue Buchführungen auf. Danach erfolgt der Austritt eines Partners völlig steuerneutral.

Sonderfall: unterschiedliche Buchwerte 

Auch wenn die Standorte unterschiedliche Buchwerte haben, weil beispielsweise ein Standort ganz neu eingerichtet ist, werden die steuerlichen Buchwerte neu zugeordnet und die Kapitalkonten entsprechend umgeschichtet.

Bei der Bemessung der Abfindung wird man aber berücksichtigen müssen, dass die Buchwerte Abschreibungsvolumen darstellen, das künftig Jahr für Jahr Steuerentlastungen bringt. Das heißt:

  • Nimmt der ausscheidende Partner mehr Buchwerte mit als ihm zustehen, muss er die verbleibenden Gesellschafter entschädigen. Denkbar ist, dass sein Abfindungsanspruch betragsmäßig um den Steuervorteil gekürzt wird, den er den verbleibenden Gesellschaftern wegnimmt.
  • Das gilt natürlich auch umgekehrt, wenn übermäßig hohe Buchwerte zurückbleiben und der ausscheidende Arzt das Nachsehen hat.

Praxishinweis

Das Abschreibungsvolumen der Buchwerte und eine Anpassung der Abfindung für den ausscheidenden Gesellschafter setzt eine Regelung im Gesellschaftsvertrag voraus. Bereits bestehende Kooperationsverträge sollten ggf. ergänzt werden.

 

Sonderfall: Sachwerte kleiner als Abfindungsanspruch 

Den Fall, dass der übertragene Standort weniger wert als die Abfindung ist, hat der BFH folgendermaßen geregelt: Dem Standort kann Geld zugewiesen werden, das in der BAG vorhanden ist. So kann die Abfindungshöhe „erreicht“ werden. Ausdrücklich offengelassen haben die Richter, ob das auch funktioniert, wenn das Geld erst kurz vor der Trennung durch Einlagen oder Bankdarlehen beschafft werden muss. Insoweit ist Vorsicht geboten.

Erfolgt der Ausgleich außerhalb der BAG durch eine Zuzahlung, die die verbleibenden Gesellschafter privat überweisen, führt das bei dem Ausscheidenden zu einem Aufgabegewinn. Er muss folgerichtig einen Gewinn versteuern.

Praxishinweis

Wenn der ausscheidende Arzt einen Aufgabegewinn verwirklicht, muss die gesamte BAG ihre Gewinnermittlungsart wechseln. Das Gesetz verlangt dann zwingend eine Bilanz auf den Ausscheidensstichtag. Rund um den Jahreswechsel sollte der Ausstieg daher besser auf Anfang Januar des Folgejahres statt auf Ende Dezember des laufenden Jahres vereinbart werden, um eine ungewollte vorgezogene Versteuerung von Einnahmen zu vermeiden.

 

Sonderfall: Abfindungsanspruch größer als Sachwerte 

Ist der übertragene Standort mehr wert als die Abfindung, hätte der ausscheidende Arzt seinen ehemaligen Mitgesellschaftern einen Spitzenausgleich zu zahlen. Der Spitzenausgleich führt zu einem Gewinn bei den fortführenden Gesellschaftern.

Sonderfall: Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter 

Offengelassen hat der BFH zwar den Fall, dass anstelle eines kompletten Standorts nur ein Teil der immateriellen Werte übertragen wird und die Abfindung im Übrigen in Geld erfolgt. § 16 Abs. 3 EStG sieht aber auch die steuerneutrale Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter vor. In diesem Fall muss die Umsatzsteuer besonders genau geprüft werden, weil keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt.

Sonderfall: Gründung einer neuen BAG 

Bislang nicht gelöst ist der Fall, dass der Ausscheidende gleich eine neue BAG gründet oder seinen Standort in eine solche einbringt. Dieser Schritt sollte vorab sehr genau überlegt werden, denn der Realteilungsparagraf enthält hierfür eine Sperrfrist. Werden danach im Rahmen der Realteilung auch einzelne Wirtschaftsgüter übertragen, dürfen wesentliche Betriebsgrundlagen drei Jahre lang nicht entnommen oder veräußert werden. Diese Drei-Jahres-Frist läuft ab Abgabe der Steuererklärung des Trennungsjahres.

Praxishinweis

Es ist wichtig, vorab zu klären, ob die dreijährige Sperrfrist des § 16 Abs. 3 S. 3 EStG greift und was Rechtsprechung und Verwaltung aktuell als schädlichen Vorgang definieren. Ein schädlicher Vorgang löst rückwirkend steuerpflichtige Gewinne aus. Eine Schadenersatzklausel im Gesellschaftsvertrag ist für diesen Fall vorstellbar.

 

Sonderfall: Übernahme ins Privatvermögen 

Die Buchwertfortführung gilt nicht für Gegenstände, die ins Privatvermögen übergehen. Was steuerfrei übertragen werden soll, muss Betriebsvermögen bleiben. Nimmt der Ausscheidende beispielsweise wertvolle Bilder aus der Praxis mit, die zukünftig in seinem Wohnzimmer hängen, löst das insoweit Steuerzahlungen aus, jedoch beschränkt auf diese Objekte.

Fazit

Mit seiner Rechtsprechung hat der BFH die steuerneutrale Trennung (zerstrittener) Ärzte deutlich erleichtert. Abweichungen vom Urteilsfall müssen genau geprüft und ggf. vorab durch einen Antrag auf verbindliche Auskunft beim Finanzamt abgesichert werden. Die Finanzverwaltung hat das BFH-Urteil seit Dezember 2016 für allgemein anwendbar erklärt.

 

Weiterführender Hinweis

  • Die Sonderausgabe „Auseinandersetzung einer Gemeinschaftspraxis“ enthält Hinweise zur steuerlichen Gestaltung der Realteilung einer Gemeinschaftspraxis, der Auseinandersetzung einer BAG sowie ein Auseinandersetzungs-Muster zur Beendigung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.