Eckpunkte der neuen Bedarfsplanungs-Richtlinie

von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 20. Dezember 2012 die neue Bedarfsplanungs-Richtlinie verabschiedet. Der G-BA ist damit der ihm mit dem Versorgungsstrukturgesetz auferlegten Verpflichtung fristgerecht nachgekommen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat die Richtlinie bereits geprüft und nicht beanstandet. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) müssen nun bis zum 30. Juni 2013 die neue Bedarfsplanung im regionalen Bedarfsplan umsetzen. Der nachfolgende Beitrag zeigt die wesent­lichen Eckpunkte der neuen Bedarfsplanung auf. Die Neuerungen sind insbesondere wichtig für Klinik-Radiologen, die in den vertragsärztlichen Bereich wechseln möchten.

Hintergrund

Die bisherige Bedarfsplanung hat nicht verhindern können, dass stetig mehr Ärzte zulasten der ländlichen Regionen in städtische bzw. in städtische Teilgebiete abgewandert sind. Der Gesetzgeber hatte dieser Fehlentwicklung begegnen wollen und dem G-BA im Rahmen des Versorgungsstrukturgesetzes den Auftrag erteilt, die Bedarfsplanung neu zu gestalten. Dabei soll der G-BA eine ausreichende wohnortnahe Versorgung vor allem im haus- und fachärztlichen Bereich sicherstellen. Zugleich soll die Ausdehnung spezialisierter und hochspezialisierter ambulanter Versorgung begrenzt werden.

Die wichtigsten Eckpunkte

Vor diesem Hintergrund hat der G-BA in weiten Teilen eine vollständig neue Bedarfsplanung eingeführt. Die wichtigsten Eckpunkte sind:

1. Ausnahmslose Planung aller Arztgruppen

Anders als bislang werden nun alle Arztgruppen einer Bedarfsplanung unterworfen. Beplant werden somit auch Nuklearmediziner, Strahlentherapeuten, Kinder- und Jugendpsychiater, Physikalische und Rehabilitationsmediziner, Neurochirurgen, Humangenetiker, Laborärzte, Pathologen und Transfusionsmediziner. Der G-BA hatte im Vorgriff auf diese Änderung überraschend schon zum 6. September 2012 eine vorläufige Zulassungssperre für diese Arztgruppen verhängt, an dessen rechtlicher Wirksamkeit jedoch Zweifel geäußert werden.

2. Einführung von vier ­Versorgungsebenen

Als Grundstruktur der Bedarfsplanung werden vier Versorgungsebenen bestimmt, die für die Zuordnung der Arztgruppen, den Zuschnitt der Planungsbereiche und die Versorgungsgradfeststellung mittels Verhältniszahlen maßgeblich sind. Die Zuordnung zu den Versorgungsebenen erfolgt dabei auf Basis der mutmaßlichen Größe des Einzugs­bereichs der jeweiligen Arztgruppe:

  • Hausärztliche Versorgung (u.a. Allgemeinmediziner)
  • allgemeine fachärztliche Versorgung (u.a. Augenärzte, HNO-Ärzte)
  • spezialisierte fachärztliche Versorgung (u.a. Radiologen)
  • gesonderte fachärztliche Versorgung (u.a. Nuklearmediziner und Strahlentherapeuten).

3. Neuer Zuschnitt der Planungsbereiche

Bedingt durch die veränderten Anforderungen an die ambulante Versorgung, eine stärkere Ausdifferenzierung im ärztlichen Leistungsangebot, die Neustrukturierung der Raumbezüge und die veränderten Versorgungsbedürfnisse der Patienten hielt der G-BA die grundsätzliche Zuordnung aller Fachgruppen zu den bisherigen Planungsbereichen nicht mehr für sachgerecht. Künftig soll die Versorgung mit Hausärzten möglichst lokal erfolgen, während die Fachärzte mit zunehmendem Spezialisierungsgrad über deutlich größere Einzugsgebiete beplant werden sollen. Demnach kommen als Grundlage für die Ermittlungen des Versorgungsgrads nach § 7 der Richtlinie in Betracht

  • der Mittelbereich,
  • die Kreise bzw. kreisfreien Städte,
  • die Raumordnungsregion,
  • der von einer KV umfasste ­Bereich.

Die jeweiligen Kreise und kreisfreien Städte werden dabei ergänzend noch einer fünfstufigen Typisierung unterworfen, um unterschiedliche Ausprägungen besser erfassen zu können. So wird etwa die Stadt Köln dem Typ 1, die Stadt Lörrach dem Typ 5 zugeordnet.

Radiologen werden danach in derzeit 96 Raumordnungsregionen beplant. Dabei wird auf die Spezifizierungen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zurückgegriffen, die über www.bbsr.bund.de abgerufen werden können. Die Planungs­bereiche werden dadurch für Radiologen größer, beispielhaft erfolgt für die Raumordnungsregion Münster etwa eine gemeinsame Planung für Warendorf, Münster, Coesfeld, Steinfurt und Borken.

4. Neue Verhältniszahlen
Einwohner-Arzt: Beispiele

Für die spezialisierte fachärztliche Versorgung, beplant in der Raumordnungsregion, gelten für Radiologen nunmehr Verhältniszahlen von 1:49.095, für Fachinternisten von 1:21.508. Für die gesonderte fachärztliche Versorgung, beplant für den Bezirk der KV, gelten etwa für Strahlentherapeuten Verhältnis­zahlen von 1:173.576.

Zu beachten ist, dass die allgemeinen Verhältniszahlen mit dem Demografiefaktor, der planungsbereichsbezogen ermittelt wird, modifiziert werden. Kern des Demografiefaktors ist die getrennte Ermittlung des Leistungsbedarfs für über 65-Jährige und unter 65-Jährige. Bei einem hohen Anteil älterer Patienten kann so ein weitergehender Versorgungsbedarf entstehen. Ausgenommen von dieser Modifizierung sind Kinderärzte, Kinder- und Jugendpsychiater sowie Arztgruppen der gesonderten fachärztlichen Versorgung, also auch Nuklearmediziner und Strahlentherapeuten.

5. Berücksichtigung angestellter und ermächtigter Ärzte

Angestellte Ärzte werden in der Regel entsprechend ihrer Arbeitszeit bei der Ermittlung des Versorgungsgrads berücksichtigt (§§ 51 bis 58 der Richtlinie). Neu eingeführt wurde zudem der Einbezug ermächtigter Ärzte in die Ermittlung des Versorgungsgrads. So werden ermächtigte Ärzte, die in vollem oder hälftigen Umfang eines Voll­versorgungsauftrags für ihr Fachgebiet ermächtigt sind, wie zugelassene Ärzte der Arztgruppe angerechnet. Abweichungen davon können regional zwischen KVen und Kassen festgelegt werden.

Regionale Besonderheiten ­können zu Anpassungen führen

Von diesen Vorgaben kann mit Begründung abgewichen werden, wenn regionale Besonderheiten dies erfordern (§ 2 der Richtlinie). Genannt werden zum Beispiel die regionale Demografie (über-/unterdurchschnittlicher Anteil alter/junger Versicherter), regionale Morbidität (auffällige Prävalenz- oder Inzidenzraten), räumliche oder infrastruk­turelle Faktoren.

Fazit

Die für Radiologen abgeänderte Bedarfsplanung in Raumordnungsregionen birgt Chancen und Risiken. So können bestehende Gemeinschaftspraxen, die an einem Standort über mehrere Zulassungen verfügen, diese anteilig – in bestimmten Grenzen– innerhalb des Planungsbereichs verlegen und so eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft mit mehreren Standorten gründen. Unwahrscheinlich ist hingegen, dass allein durch die Anknüpfung an die Raumordnungsregion neue Vertragsarztsitze für Radiologen entstehen.

Niederlassungswillige Radiologen und Nuklearmediziner sollten nun der Umsetzung des Bedarfsplans auf Landesebene besondere Aufmerksamkeit widmen. Durch regionale Besonderheiten könnte es zu Abweichungen und damit in Einzelfällen zu neuen Vertragsarztsitzen kommen. Ansonsten sollten die neuen Vorgaben für die Sonder­bedarfszulassung umgehend geprüft werden; auch diese könnten eine Niederlassungsoption bringen. Ob frühzeitig ein (Sonderbedarfs-)Zulassungsantrag gestellt wird, sollte im konkreten Einzelfall geprüft werden.