Die Zielvereinbarung für Chefärzte

von RA Manfred Werthern, Gollob Rechtsanwälte, München, www.gollob-jur.de

Zielvereinbarungen sind bei der Vergütung von Chefärzten die Regel geworden. Trotzdem sind sie exemplarisch für die Schwierigkeiten, Managementinstrumente aus anderen Branchen im Krankenhaus anzuwenden. Der Beitrag nennt die Knackpunkte, auf die der Chefarzt in den Verhandlungen über seine Zielvereinbarung unbedingt achten sollte.

Die DKG-Empfehlungen sichern medizinische Unabhängigkeit

Nach § 135c Sozialgesetzbuch V dürfen Zielvereinbarungen nicht auf finanzielle Anreize abstellen, die einzelne Leistungen, Leistungskataloge oder Messgrößen betreffen. Auf diese Weise soll die Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen gesichert werden. Denn in keinem anderen Wirtschaftsbereich besteht ein vergleichbarer Zielkonflikt zwischen dem gesellschaftlichen Auftrag, eine flächendeckende wirtschaftliche medizinische Versorgung sicherzustellen, und den zum Wettbewerb gehörenden Zwang, Gewinne zu erzielen.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Bundesärztekammer (BÄK) haben deshalb „Beratungs- und Formulierungshilfen für Verträge der Krankenhäuser mit leitenden Ärzten“ aufgestellt. Danach gilt:

  • Wenn Vorgaben dazu dienen, medizinisch gebotene Maßnahmen möglichst wirtschaftlich umzusetzen, ist dagegen als Zielvorgabe nichts einzuwenden.
  • Diese Grenze ist überschritten, wenn die medizinische Indikationsstellung und das dadurch bedingte ärztliche Handeln von dem ökonomischen Ziel beeinträchtigt wird, den Erlös zu steigern.

Praxishinweis

Haben Sie als Chefarzt Zweifel, ob Ihre Zielvereinbarungen zulässig sind, können Sie diese der „Gemeinsamen Koordinierungsstelle“ von BÄK und VLK (Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands) vorlegen. Manchmal reicht bereits ein entsprechender Hinweis an die Klinikleitung, um die Zielvereinbarung neu zu verhandeln.

 

Chefarzt hat auf Klinik-Strategie keinen Einfluss

Das Dilemma dabei ist, dass Krankenhäuser nach den Prinzipien des „management by objectives“ verfahren, um aus übergeordneten Unternehmenszielen für das Krankenhaus die Zielvereinbarungen für die operativen Abteilungsebenen abzuleiten. Dabei bestimmen jedoch die (mitverantwortlichen) Ärzte die Unternehmensziele nicht mit. Mit Zielvereinbarungen versucht die Krankenhausleitung, dem Chefarzt eine ökonomische Mitverantwortung z. B. für die Kostenentwicklung seiner Abteilung zu übertragen – allerdings ohne ihn im Dienstvertrag zu ermächtigen, in ökonomischen Fragen mitzuentscheiden.

Mit der in den DKG-Empfehlungen seit Jahren unverändert vorgesehenen „Anhörung des Chefarztes“ bei der Aufstellung seines Abteilungsbudgets ist es nicht getan. Denn nur wenn die Aufstellung des Abteilungsbudgets mit ihm abgestimmt wird, könnte man von einem wirklichen „Mitentscheidungsrecht“ sprechen.

Für die Gesamtvergütung gilt die Faustregel 70 : 20 : 10

Positiv für den Chefarzt ist in erster Linie eine zusätzliche Vergütung in Form eines Bonus. Dieser wird für den Fall ausgelobt, dass die vereinbarten Zielvorgaben erreicht werden. Die Bedeutung dieser Zusatzvergütung relativiert sich jedoch erheblich, weil die zulässige Bonuszahlung im Verhältnis zur Gesamtvergütung lediglich als „Sahnehäubchen“ anzusehen ist.

Als Faustregel für die Vergütung gilt ein Verhältnis von 70 zu 20 zu 10. Das bedeutet: 70 Prozent der Gesamtvergütung sollten auf die feste Grundvergütung entfallen, 20 Prozent auf die variable Vergütung und 10 Prozent auf die Bonuszahlung.

Die Vorgabe der MBO-Ä

Auch § 3 Abs. 2 der Muster-Berufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) geht in diese Richtung. Danach darf die Vergütungsregelung die Unabhängigkeit der medizinischen Entscheidung nicht gefährden. Wird z. B. eine 50:50-Regelung vereinbart, wird angenommen, dass die Unabhängigkeit akut gefährdet ist.

Diese Zielvorgaben sind zulässig

Der Chefarzt sollte prüfen, ob er nach den ihm im Anstellungsvertrag eingeräumten Kompetenzen befugt und in der Lage ist, die Zielvorgaben umzusetzen. Lautet die Zielgröße z. B., bei den Personal- und/oder Sachkosten seiner Abteilung eine bestimmte Zielgröße nicht zu überschreiten, kann er sich nur dann darauf einlassen, wenn das Personal- und/oder Sachkostenbudget mit ihm einvernehmlich festgesetzt wurde (Kongruenz zwischen Kompetenzen nach Dienstvertrag und Zielvorgaben).

Bei harten Zielgrößen wie etwa Case-Mix-Index, Fallzahlen und vollstationären Belegungstagen bergen Diskussionen über die (prozentuale) Zielerreichung zwar ein geringes Konfliktpotenzial. Sie sind rechtlich aber unzulässig.

Weiche Zielgrößen, die keine Beeinflussung der medizinischen Entscheidungsfreiheit befürchten lassen, sind oft schwer messbar, damit streitanfällig und in der Praxis kaum umsetzbar, z. B.:

  • Qualitätssicherungsmaßnahmen einführen
  • Patientenzufriedenheit erhöhen
  • Medizinische Dokumentation verbessern

Andere zulässige weiche Zielvorgaben können reguläre Aufgaben des Chefarztes betreffen, die an sich mit der Grund- und der variablen Vergütung abgegolten sind, z. B.:

  • Entlassmanagement verbessern
  • Eigenständige Fachabteilung aufbauen
  • Organisation/Abläufe optimieren

Fazit

Von der Faustregel 70:20:10 sollte zumindest nicht insofern abgewichen werden, als der Anteil der Grundvergütung abgesenkt und dafür die variable Vergütung und/oder die Bonuszahlung erhöht wird. Mit dem prozentualen Anstieg der variablen Vergütung und der Bonuszahlung an der Gesamtvergütung wächst die Gefahr, dass finanzielle Überlegungen die Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen beeinflussen.

Der Chefarzt sollte am besten eine gewünschte Gesamtvergütung über Grund- und variable Vergütung anstreben – ganz ohne zusätzlichen Bonus. Soll der Bonus aus Sicht der Klinik als dritte Säule unbedingt ein Bestandteil der Gesamtvergütung sein, sollte – abweichend von den DKG-Empfehlungen – vereinbart werden, dass die Zielvereinbarung jährlich neu zu schließen ist.

Außerdem ist zu prüfen, ob anstelle der Ausschüttung eines Bonus die Beteiligungsquote der variablen Vergütung erhöht wird, wenn die vertraglich vereinbarten Ziele erreicht werden. Ein solches Vorgehen ist vor allem dann zu erwägen, wenn sich die vereinbarten Zielgrößen direkt oder indirekt auf die Erlöse des Krankenhauses auswirken, von denen die variable Vergütung abhängt. Das trifft auf eine Vielzahl von zulässigen „weichen“ Zielgrößen wie z. B. Einweiserpflege, Zertifizierung oder Aufbau einer Fachabteilung zu.

Weiterführende Hinweise