Die rechtliche Position des radiologischen Chefarztes bei Tätigkeitsänderungen

von RA Dr. Peter Wigge, Fachanwalt für Medizinrecht, Münster/Westf., www.ra-wigge.de

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sehen sich leitende radiologische Krankenhausärzte vermehrt Forderungen des Krankenhausträgers ausgesetzt, dass die von ihnen geleiteten Abteilungen, Institute und andere Einrichtungen umstrukturiert werden sollen. Der Träger erhofft sich durch diese Maßnahmen Einsparungen. Mit welchen Folgen der leitende Krankenhausradiologe hierbei rechnen muss und wie seine rechtliche Position aussieht, erfahren Sie folgend.

Die Folgen für den leitenden Krankenhausradiologen

Bei Umstrukturierungen werden die Einnahmen aus der Privatliquidation in der Regel geringer. Daneben besteht die Gefahr, dass der leitende Krankenhausradiologe nicht mehr im gewohnten Umfang auf die radiologischen Kernmethoden – zum Beispiel Schnittbilddiagnostik, wie CT und MRT – zugreifen kann. Nicht selten kommen persönliche Gründe aus dem Verhältnis zwischen dem betroffenen Chefarzt und der Krankenhausleitung hinzu, die eine einvernehmlich zukunftsorientierte Verständigung für beide Seiten erschweren oder ausschließen.

Fazit: Einem betroffenen Chefarzt droht somit neben dem Verlust seiner Reputation von Zuständigkeiten in der Radiologie der Verlust eines erheblichen Teils seiner Einnahmen und damit Einschnitte in seiner privaten und beruflichen Lebensführung.

Der Aufgabenbereich des leitenden Krankenhausradiologen

Der leitende Arzt einer Abteilung, eines Instituts oder eines Funktionsbereichs vertritt in seiner Fachabteilung bzw. seinem Funktionsbereich sein Fachgebiet medizinisch selbstständig und ist dem Ärztlichen Direktor des Krankenhauses organisatorisch nachgeordnet. Er ist für Diagnostik und Therapie bei den Patienten seiner Abteilung oder seines Funktionsbereichs verantwortlich und trägt die Gesamtverantwortung für die ärztliche Versorgung.

In diagnostischer und therapeutischer Hinsicht ist er fachlich weisungsberechtigter Vorgesetzter mit Direktionsrecht gegenüber dem ärztlichen und dem medizinischtechnischen Personal sowie dem Pflegepersonal seiner Abteilung. Gleichzeitig ist er in medizinischfachlicher Hinsicht auch gegenüber dem Dienstherrn und dem ärztlichen Direktor weisungsfrei.

Auf diese Regelungen im Chefarztvertrag kommt es an

Die Einzelheiten der Stellung des leitenden Arztes vereinbaren die Vertragsparteien im Chefarztvertrag. Auf diesen ist seitens eines leitenden Arztes in erster Linie zurückzugreifen, wenn seine Position durch Entscheidungen des Krankenhausträgers berührt wird. Die Rechte und Pflichten ergeben sich aus diesem Arbeitsvertrag. Daneben können auch kollektivvertragliche Regelungen in Betracht kommen.

Beispiel

Ein Chefarztvertrag – geschlossen zwischen dem leitenden Krankenhausradiologen und einem Krankenhaus – regelt, dass der Radiologe für „sämtliche radiologische Verfahren, die im Krankenhaus angeboten werden“, zuständig ist.

Eine solche Klausel ist in der Regel nicht ausreichend, um das Aufgabengebiet des radiologischen Chefarztes umfassend zu beschreiben und vor Veränderungen zu schützen. Zum einen sollten die heute regelmäßig angebotenen radiologischen Verfahren, insbesondere im Bereich der Schnittbilddiagnostik, und auch die zunehmend interprofessionellen Verfahren, wie zum Beispiel PET-CT, in dem Vertrag enumerativ aufgeführt werden. Darüber hinaus sollte der Zuständigkeitsbereich des Radiologen auf alle radiologischen Verfahren ausgeweitet werden, die zukünftig neu in den Leistungskatalog aufgenommen und im Krankenhaus angeboten werden.

Auch sollte der Chefarzt eine Regelung aufnehmen lassen, die das Krankenhaus zum Bezug aller radiologischen Leistungen aus seiner Abteilung verpflichtet und die Ausgliederung von radiologischen Leistungen auf externe Dritte nur ermöglicht, wenn das Krankenhaus aus wirtschaftlichen Gründen zu einer solchen Vorgehensweise gezwungen ist. Dabei sollten die „wirtschaftlichen Gründe“ aufgeführt werden. Falls ein Rückgriff auf externe radiologische Geräte anstelle der Anschaffung derselben durch den Krankenhausträger erforderlich erscheint, sollte der Chefarzt der radiologischen Abteilung das Recht haben, die Leistungen an diesen Geräten für das Krankenhaus zu erbringen. Auf eine detaillierte Regelung im Vertrag sollte daher besonders Wert gelegt werden.

Praxishinweis: Soweit im Vertrag eine klare Aufgabenzuordnung in der Radiologie erfolgt, sollte diese das alleinige Zugriffsrecht auf sämtliche radiologischen Kernmethoden umfassen und diese detailliert benennen. Für zukünftige Innovationen sollte eine Zuordnung nach fachlichen Gesichtspunkten erfolgen.

Beispiel

Für radiologische Leistungen, die nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammern hinsichtlich der Durchführung und Befundung dem Radiologen vorbehalten sind, sollte eine ausschließliche Zuständigkeit beim Krankenhausradiologen liegen. Bei interprofessioneller Zusammenarbeit mit anderen Fachgebieten, wie zum Beispiel der Schnittbilddiagnostik mit kardiovaskulären Fragestellungen (Kardio-MRT und -CT), sollte die Primärzuständigkeit beim Radiologen liegen. Das heißt, dass die Durchführung und Befundung dieser Leistungen in der Zuständigkeit der radiologischen Abteilung angesiedelt sind.

Vorsicht vor unwirksamen Entwicklungsklauseln

Soweit der Aufgabenbereich in einem Vertrag im Detail beschrieben worden ist, stellt sich die Frage, ob der Träger im Rahmen der Entwicklungsklausel, die sich in den meisten Chefarztverträgen findet, berechtigt ist, die Zuordnung durch einseitige Leistungsbestimmung zu ändern. Meist bemühen die Träger die Entwicklungsklausel, um der bestehenden Abteilung bestimmte Verantwortungsbereiche bzw. Leistungen zu nehmen und einen weiteren Leitenden Arzt zur Wahrnehmung – in eigener Abteilung oder im Kollegialarztsystem – zuzuteilen. Die Entwicklungsklausel soll es auch richten, wenn die Herauslösung bestimmter Leistungen aus einem Verantwortungsbereich gerechtfertigt werden soll.

An der Wirksamkeit von Entwicklungsklauseln in Chefarztverträgen gab es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG)in der Vergangenheit keine Zweifel. Aber seit der am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsreform unterliegen auch Arbeitsverträge den strengeren Wirksamkeitsanforderungen des für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) geltenden Rechts. Die bis 2005 – und heute noch vereinzelt – verwendete, von der DKG im Rahmen ihrer „Beratungs- und Formulierungshilfe Chefarzt-Vertrag“ empfohlene Entwicklungsklausel verstößt nach Urteilen der Arbeitsgerichte Paderborn und Hagen gegen das für AGB geltende Recht. Rechtsfolge eines Verstoßes hiergegen ist die Unwirksamkeit der gesamten Klausel.

Praxishinweis: Die Unwirksamkeit der „alten“ Entwicklungsklausel eröffnet dem Chefarzt also, sich gegen die Umstrukturierung seines Zuständigkeitsbereichs zu wehren und die Berücksichtigung eigener Interessen durchzusetzen. Diesbezügliche Verhandlungen sollten jedoch möglichst frühzeitig aufgenommen werden, um von vornherein Einfluss auf die Ausgestaltung nehmen zu können.

Tätigkeitsänderungen

Bei Tätigkeitsänderungen ist darauf abzustellen, ob die Tätigkeit in ihrem Kern verändert wird und der Chefarzt nach der Änderung Aufgaben wahrnehmen müsste, die er nach seinem Vertrag bisher nicht erbringen musste. Es muss sich daher um eine gewichtige Veränderung des Aufgabengebiets handeln. Erlaubt die vereinbarte Entwicklungsklausel die Vergrößerung oder die Verkleinerung der Abteilung oder der vereinbarten Aufgabengebiete, so ändert sich damit zwangsläufig der Arbeitsumfang des Chefarztes. Bei liquidationsberechtigten Chefärzten kann dadurch ein Teil ihrer Liquidationseinnahmen im wahlärztlichen Bereich wegfallen.

Beispiel

Der Träger plant eine Outsourcingmaßnahme in der Radiologie. Hier kann der Chefarzt sein berechtigtes Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Arbeitsumfangs nur geltend machen, wenn ihm bei Vertragsabschluss eine bestimmte Abteilungsstruktur vertraglich zugesichert worden ist.

Hier betont das BAG, dass die Höhe der Liquidationseinnahmen im wahlärztlichen Bereich keine vertraglich geschützte Position des Chefarztes sei. Denn bei der Einräumung des Liquidationsrechts handele es sich um die Gewährung einer Erwerbschance, nicht jedoch um eine Zusage über deren Höhe. Aber das BAG sagt auch, dass im Einzelfall die Maßnahme des Krankenhauses dann unzumutbar sei, wenn eine erhebliche Einschränkung der Liquidationseinnahmen vorliege.

Beispiel

Der Krankenhausträger macht in zulässiger Weise von der Entwicklungsklausel Gebrauch. Entschädigungsansprüche des Chefarztes sind ausgeschlossen, sofern ihm zukünftig mindestens zwischen 50 bis 70 Prozent der Summe der durchschnittlichen, sich aus Fixum und Liquidationseinnahmen bzw. Beteiligungsvergütung zusammensetzenden Bruttohonorare in den der Maßnahme vorangegangenen zwei bis drei Jahren verbleiben.

Etwas anderes gilt auch, wenn der Träger ausdrücklich eine Garantie für die Höhe der Liquidationseinnahmen abgegeben hat. Dann darf dem Chefarzt durch eine Tätigkeitsänderung kein wirtschaftlicher Nachteil entstehen. Daher sollte sich der Chefarzt hier vertraglich eindeutig absichern.