Die Anordnung von Röntgenuntersuchungen – ein Thema mit rechtlichen Fallstricken!

von Rechtsanwalt Nico Gottwald, Ratajczak & Partner, Sindelfingen, www.rpmed.de

Die Anordnung von Röntgenleistungen durch diensthabende Ärzte ohne die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz ist im Stations­alltag keine Seltenheit. Vielen Ärzten ist jedoch nicht bewusst, dass sie sich damit am Rande der Legalität bewegen. Warum ist das so? Dies beantworten die Röntgenverordnung (RöV) und die Strahlenschutzverordnung (StrlSchV). 

Erfordernis der rechtfertigenden Indikation für das Röntgen

Jede Röntgenaufnahme darf nach § 23 Abs. 1 RöV bzw. § 80 Abs. 1 StrlSchV nur dann durchgeführt werden, wenn vorher eine rechtfertigende Indikation gestellt wurde. Die rechtfertigende Indikation erfordert die Feststellung, dass der gesundheitliche Nutzen der Anwendung am Menschen gegenüber dem Strahlenrisiko überwiegt. Ohne eine solche rechtfertigende Indikation kann die Röntgenaufnahme eine strafbare Körperverletzung darstellen. Die Indikationsstellung wirkt aber nur dann rechtfertigend, wenn die Vorschriften der Röntgenverordnung und der Strahlenschutzverordnung beachtet werden. 

Wer darf diese Indikation eigenverantwortlich stellen? § 24 RöV und § 82 StrlSchV verlangen, dass der Arzt, der die rechtfertigende Indikation stellt und allein zu verantworten hat, über die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz verfügt – entweder für das gesamte Gebiet der Röntgenuntersuchungen oder für das Teilgebiet, in dem er tätig ist. Die rechtfertigende Indikation darf nur dann gestellt werden, wenn der Arzt den Patienten vor Ort persönlich untersuchen kann. 

Eine Röntgenuntersuchung darf ausnahmsweise auch der Arzt anfordern, der nicht über die Fachkunde verfügt; dann muss der Patient aber vor der Durchführung der Röntgenaufnahme in den Verantwortungsbereich eines anderen, fachkundigen Arztes überstellt werden, der mög­licherweise die Indikation widerrufen kann. 

Voraussetzungen für Fachkunde im Strahlenschutz

Nach § 18a RöV und § 30 StrlSchV sind drei Voraussetzungen zu erfüllen, damit ein Arzt von seiner zuständigen Landesärztekammer die Fachkunde im Strahlenschutz erhält: 

  • Eine entsprechende Ausbildung,
  • praktische Erfahrung (Erwerb der Sachkunde),
  • Teilnahme an anerkannten Kursen.

Weitere Einzelheiten können der Fachkunderichtlinie entnommen werden. Die Ausbildung ist durch Zeugnisse, die praktische Erfahrung durch Nachweise und die erfolgreiche Kursteilnahme durch eine Bescheinigung zu belegen. 

Die Fachkunde im Strahlenschutz muss alle fünf Jahre aktualisiert werden. 

Praktische Probleme

Probleme mit den Vorgaben der §§ 23, 24 RöV und der §§ 80, 82 StrlSchV ergeben sich insbesondere bei Nacht- und/oder Wochenenddiensten in kleineren Krankenhäusern der Regelversorgung. Diese Dienste werden oft von jungen Assistenzärzten geleistet, die selten über die erforderliche Fachkunde verfügen. Die Ärzte mit Fachkunde im Strahlenschutz sind zu diesen Zeiten oft nicht mehr in der Klinik. In diesem Fall ist die Stellung einer rechtfertigenden Indikation nicht mehr möglich. Der Strahlenschutzverantwortliche eines Krankenhauses, der hierfür zuständig und verantwortlich ist, muss daher dafür sorgen, dass auch nachts und an Wochenenden mindestens ein Arzt mit der erforderlichen Fachkunde im Haus anwesend ist. 

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen?

Wer als Strahlenschutzverantwortlicher oder Strahlenschutzbeauftragter nicht dafür sorgt, dass nur die nach § 23 RöV bzw. § 80 Abs. 1 StrlSchV berechtigten Ärzte die Indikationen stellen bzw. die Röntgenuntersuchungen anordnen, handelt nach § 44 Nr. 12 RöV bzw. § 116 Abs. 3 Nr. 1 StrlSchV ordnungswidrig und kann mit einer Geldstrafe belegt werden. Ärzte, die als Strahlenschutzbeauftragte ihres Krankenhauses tätig sind, sollten dieses Amt daher nicht unterschätzen. 

In einem Krankenhaus, das als AG oder GmbH betrieben wird, ist der Geschäftsführer gleichzeitig der Strahlenschutzverantwortliche. Daher kam es in der Vergangenheit bereits öfter dazu, dass die Geschäftsführer eines Krankenhauses wegen Verstößen gegen die Röntgenverordnung eine Geldstrafe aus eigener Tasche zahlen mussten. 

Wenn ein Arzt ohne die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz die Indikation stellt und die Röntgenuntersuchung anordnet, verstößt er damit gegen die RöV bzw. die StrlSchV. Dies kann nicht nur berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, sondern der Arzt haftet damit auch in zivilrechtlicher Hinsicht für mögliche Behandlungsfehler. Darüber hinaus kann er sich auch wegen einer Körperverletzung strafbar machen. 

Die technische Durchführung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen wird in der Regel auf nichtärztliches Personal (MTRA) delegiert, das über die im Strahlenschutz erforderlichen Kenntnisse verfügt. Sofern eine Röntgenuntersuchung an nachgeordnete, nichtärztliche Mitarbeiter delegiert wird, stellt sich die Frage, wie der MTRA reagieren kann oder muss, wenn ihm bekannt ist, dass der Arzt, der die Röntgenleistung angeordnet hat, nicht über die erforderliche Fachkunde verfügt. MTRA dürfen zwar grundsätzlich davon ausgehen, dass die Strahlenschutzorganisation ihres Hauses ordnungsgemäß geregelt und dementsprechend die Fachkunde des anordnenden Arztes vorhanden ist. Daher darf der MTRA die technische Durchführung einer Röntgenuntersuchung in der Regel auch nicht verweigern. 

Gilt dies aber auch bei positiver Kenntnis, dass keine rechtfertigende Indikation vorliegt, weil der anordnende Arzt nicht über die erforderliche Fachkunde verfügt? Eine Anordnung, die gegen gesetzliche Vorschriften verstößt, muss der MTRA nicht befolgen. Letztlich kann auch er eine zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche Verantwortung nur vermeiden, wenn er die Durchführung der Röntgenaufnahme verweigert. Nach Möglichkeit sollte aber zuerst immer der Strahlenschutzverantwortliche des Krankenhauses informiert werden. 

Fazit

Wieder einmal prallen hier juristische Vorschriften und Klinikalltag aufeinander. Nicht selten werden junge, unerfahrene Ärzte ohne die erforderliche Fachkunde genötigt, die Indikation zu stellen und MTRA angewiesen, diese Indikation nicht in Frage zu stellen. Dies kann jedoch gravierende Konsequenzen für alle Beteiligten mit sich bringen, die nicht im Verhältnis zu dem organisatorischen Aufwand stehen, die Anwesenheit eines fachkundigen Arztes zu gewährleisten – zumal eine Kontrolle durch die Gewerbeaufsicht oder die Ärztliche Stelle der zuständigen Landesärztekammer jederzeit möglich ist.