Bundesverfassungsgericht erlaubt Zusammenarbeit von Arzt und Rechtsanwalt

von RA und FA für MedR Torsten Münnch, Dierks + Bohle RechtsanwältePartnerschaft mbB, Berlin, www.db-law.de

Nach § 59a Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) dürfen sich Rechtsanwälte nicht mit Ärzten zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammenschließen. Begründet wurde dieses Verbot bislang mit Gefahren für die Berufspflichten der Anwälte. Damit ist nun Schluss. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erklärte die Norm für nichtig (Urteil vom 12.1.2016, Az. 1 BvL 6/13).

Der aktuelle Fall 

Anlass war ein Streit zwischen dem Partnerschaftsregister München, einem Rechtsanwalt und einer Ärztin. Letztere wollten sich in einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenschließen. Der Rechtsanwalt wollte anwaltlich, die Ärztin gutachterlich und beratend, nicht jedoch heilkundlich tätig sein.

Die Entscheidungsgründe 

Das BVerfG gestand dem Gesetzgeber zwar zu, mit dem Sozietätsverbot im Grundsatz einen legitimen Zweck zu verfolgen. Damit würden die Beachtung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht (§ 43a Abs. 2 BRAO), das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO) und die Pflicht geschützt, keine die berufliche Unabhängigkeit gefährdenden Bindungen einzugehen (§ 43a Abs. 1 BRAO).

Der damit ausgelöste Eingriff in die durch Artikel 12 des Grundgesetzes geschützte Berufsausübungsfreiheit sei aber unverhältnismäßig. Die Gefahren für die anwaltlichen Berufspflichten seien zu gering, als dass sie das Sozietätsverbot rechtfertigen könnten. Zwar sei es denkbar, dass von der Zusammenarbeit mit einem berufsfremden Partner Gefahren für die Einhaltung der genannten anwaltlichen Berufspflichten ausgehen. Der Gesetzgeber selbst habe die diesbezüglichen Gefahren jedoch für gering erachtet. Denn bei den in § 59a BRAO aufgezählten „sozietätsfähigen“ Berufen der Patentanwälte, Steuerberater, Wirtschafts- und Buchprüfer bestünde die Problematik ebenfalls, werde aber vom Gesetzgeber akzeptiert. Es sei kein Grund ersichtlich, bei der Zusammenarbeit von Anwälten und Ärzten von einem höheren Gefährdungspotenzial auszugehen.

Stellungnahme 

Wieder einmal zeigt sich, dass Standespolitik oder Tradition nicht ausreichen, um Eingriffe in verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsrechte zu legitimieren. Auch die Ärzteschaft musste dies insbesondere im Zusammenhang mit dem berufsrechtlichen Werbeverbot schon zur Kenntnis nehmen (z. B. BVerfG, Beschluss vom 8.1.2002, Az. 1 BvR 1147/01, wonach die Werbung mit den Begriffen Knie- bzw. Wirbelsäulenspezialist für zulässig erachtet wurde).

Ärzten ist es schon seit langem berufsrechtlich gestattet, mit jeder beliebigen anderen Berufsgruppe zusammenzuarbeiten, solange sie nicht die Heilkunde am Menschen ausüben (§ 23c Musterberufsordnung Ärzte). Jetzt ist der Weg auch vonseiten der Anwaltschaft frei. Anfang 2015 gab es in Deutschland gut 1.500 Fachanwälte für Medizinrecht, Tendenz steigend. Insbesondere bei Patientenanwälten, die von ihren Mandanten in der Regel keinen medizinischen Sachverstand erwarten können, dürfte erheblicher Bedarf für eine Kooperation mit einem Arzt bestehen.

BEACHTEN SIE | Wer eine Kassenzulassung besitzt, sollte § 20 Ärzte-Zulassungsverordnung beachten. Danach muss der Vertragsarzt den Versicherten auch weiterhin in dem seinem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang persönlich zur Verfügung stehen.

Hinweis

Bei einem vollen Versorgungsauftrag ist eine Kooperation von 13 Wochenstunden kein Problem. Bei einer halben Zulassung sind sogar 26 Wochenstunden Kooperation erlaubt. Wer mehr will, sollte Tätigkeiten in den Abendstunden oder am Wochenende vereinbaren.