BSG konkretisiert Vorgaben für die Gründung von Teil-BAG zwischen Vertragsärzten

von RA Michael Frehse, FA für Medizinrecht, Münster, www.kanzlei-am-aerztehaus.de 

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit zwei Urteilen die Vorgaben für die Gründung von Teil-Berufsausübungsgemeinschaften (Teil-BAG) zwischen Vertragsärzten konkretisiert. Demnach schließt die Einbringung der gesamten Tätigkeit eines Arztes in eine Teil-BAG die Gründung ebenso aus wie unklare und nicht hinreichend transparente Regelungen zur Gewinnverteilung in den Gesellschaftsverträgen (BSG Urteile vom 25.3.2015 – Az. B 6 KA 24/14 R und B 6 KA 21/14 R, noch nicht veröffentlicht).

Hintergrund 

Mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz wurde Vertragsärzten im Jahre 2007 die Möglichkeit zur Gründung einer Teil-BAG eröffnet, also einer ärztlichen Gesellschaft, die auf die Erbringung bestimmter Einzelleistungen beschränkt ist. Gemäß § 15a Abs. 5 Bundesmantelvertrag für Ärzte (BMV-Ä) soll die Gründung einer Teil-BAG nur dann möglich sein, wenn das zeitlich beschränkte Zusammenwirken der Ärzte erforderlich ist, um Patienten zu versorgen, die einer gemeinschaftlichen Versorgung durch die der Teil-BAG angehörigen Ärzte bedürfen. Konkret vor Augen hatte der Gesetzgeber beispielsweise die Gründung einer Teil-BAG zwischen einem Neurologen und einem Pädiater zur Behandlung spezieller kinderneurologischer Krankheitsbilder.

Vielfältige Gestaltungsvarianten von Teil-BAG bei Radiologen 

Im Bereich der Radiologie bieten sich bei Teil-BAG vielfältige Gestaltungsvarianten. In Betracht kommen beispielsweise Zusammenschlüsse von Radiologen und Kardiologen und/oder Orthopäden zur Erbringung diagnostischer Leistungen.

BSG-Entscheidungen bringen mehr Rechtssicherheit 

Da die Interpretation der gesetzlichen Vorgaben bisher höchstrichterlich nur unzureichend geklärt war, haben viele Radiologen – auch mit Blick auf die bestehenden Risiken – den Weg zur Gründung von Teil-BAGs bisher gescheut. Mit den beiden nachfolgend dargestellten Entscheidungen hat das BSG nunmehr die gesetzlichen Vorgaben näher konkretisiert und die Übereinstimmung der Vorgaben des BMV-Ä mit höherrangigem Recht untersucht.

1. Fall: Teil-BAG unter Augenärzten 

Im Streit stand die Gründung einer Teil-BAG zwischen zwei operativ tätigen Augenärzten mit Sitz in S und einem ausschließlich konservativ tätigen Augenarzt mit Sitz der Praxis in E. Konkret war zwischen den Klägern beabsichtigt, dass die gesamte Tätigkeit des ausschließlich konservativ tätigen Augenarztes Gegenstand der Teil-BAG werden sollte. Außerdem sollte die diagnostische und operative Tätigkeit der beiden Ärzte bei Patienten mit Erstkontakt am Sitz des konservativ tätigen Arzt in E erfolgen.

Das zuständige Landessozialgericht bestätigte die Entscheidung des beklagten Berufungsausschusses, wonach die Genehmigung der Teil-BAG nicht erteilt werden kann, da der ausschließlich konservativ tätige Arzt seine gesamte Tätigkeit in die Teil-BAG einbringen würde und es damit an der gesetzlich geforderten Begrenzung auf „einzelne Leistungen“ fehle.

Die dagegen gerichtete Revision der Ärzte vor dem BSG hatte keinen Erfolg. Zu Recht habe das LSG das Vorliegen der Leistungsbegrenzung auf „einzelne Leistungen“ abgelehnt, da zwischen den Augenärzten beabsichtigt war, dass ein Arzt seine gesamte Tätigkeit in die Teil-BAG einbringen sollte. Alleine aus diesem Grunde habe der Berufungsausschuss die Genehmigung versagen müssen. In einer Teil-BAG müssten die beteiligten Einzelpraxen jeweils bestehen bleiben.

Wenngleich es für die Entscheidung nicht mehr darauf ankam, führte das BSG ergänzend aus, dass die vorgelegte vertragliche Abrede zwischen den Augenärzten die Annahme einer missbräuchlichen Gestaltung zur Sicherung der Zuweisung von Patienten zur ambulanten Operation nahelege. Diese Zweckrichtung leitete das Gericht aus den Regelungen zur Gewinnverteilung her, da der ausschließlich konservativ tätige Arzt an den Erträgen der operativ tätigen Ärzte bei den zunächst von ihm behandelten Patienten partizipieren sollte.

In diesem Zusammenhang konkretisierten die Kasseler Richter die Vorgaben für die Ausgestaltung von Gesellschaftsverträgen zur Gründung einer Teil-BAG. Diese müssten „so transparent und klar“ gestaltet werden, „dass für die Zulassungsgremien insbesondere der Gegenstand der gemeinsamen Leistungserbringung sowie die Einzelheiten der Gewinnverteilung nachvollziehbar“ seien.

2. Fall: Teil-BAG unter Hausärzten 

Der zweiten Entscheidung lag ein Antrag einer Hausärztin und eines Hausarztes zur Gründung einer überörtlichen diabetologischen Teil-BAG zugrunde. Die Hausärztin führt eine diabetologische Schwerpunktpraxis, der an einem anderen Standort tätige Hausarzt verfügt über die Zusatzausbildung Diabetologie. In die Teil-BAG sollte ausschließlich die diabetologische Tätigkeit eingebracht werden. Insoweit lägen unterschiedliche Schwerpunkte bei der Behandlung und ein sich ergänzendes Leistungsspektrum vor. Darüber hinaus ermögliche die Kooperation den Patienten, bestimmte Probleme mit einem gleichgeschlechtlichen Arzt besprechen zu können.

Die zuständigen Zulassungsgremien versagten die Genehmigung und verwiesen in dem gerichtlichen Verfahren darauf, dass § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV nur die Kooperation bezüglich „einzelner Leistungen“ zulasse. Da in dem vorliegenden Fall jedoch die Kooperation hinsichtlich sämtlicher Leistungen des Diabetes-DMP beabsichtigt sei, könne eine Genehmigung nicht erteilt werden.

Wie schon die Vorinstanz verurteilte auch das BSG den beklagten Berufungsausschuss zur Genehmigung der überörtlichen diabetologischen Teil-BAG. Die Einbringung der gesamten diabetologischen Versorgung in die Teil-BAG stehe der Genehmigung erst dann entgegen, wenn diese den vollständigen Tätigkeitsinhalt einer der beteiligten Praxen darstellt. Der beantragten Genehmigung könne unter Rückgriff auf § 15a Abs. 5 BMV-Ä auch nicht das Argument der fehlenden Erforderlichkeit entgegengehalten werden.

Nach Ansicht der Richter sind die Vertragspartner bei der Ausgestaltung des BMV-Ä über ihren Regelungsauftrag hinausgegangen. Daher sei die Regelung rechtswidrig und entfalte somit keine Wirkung. Da keine Anhaltspunkte für eine Umgehung des Verbots der Zuweisung gegen Entgelt ersichtlich seien, sei der Berufungsausschuss zu Recht zur Erteilung der beantragten Genehmigung verurteilt worden.

Praktische Konsequenzen der Urteile 

Die Entscheidungen des BSG sind sehr beachtenswert, weil sie den Vertragsparteien des BMV-Ä die Grenzen des Gestaltungsspielraums eindeutig aufgezeigt haben. Darüber hinaus hat das BSG damit einen wichtigen Beitrag zur Konkretisierung der Vorgaben für die Gründung einer Teil-BAG geleistet. Der Zusammenschluss setzt demnach zunächst voraus, dass nicht einer der Partner seine gesamte Tätigkeit in die Teil-BAG einbringt. Ferner können Zulassungsgremien Anträge nicht mehr unter Rückgriff auf die aus § 15a BMV-Ä abgeleitete „Erforderlichkeit“ ablehnen, da die Vorschrift gegen höherrangiges Recht verstößt.

Vorsicht ist bei der Ausgestaltung der Gewinnverteilungsregelungen geboten. Hier verlangt das BSG klare und transparente Regelungen. Fehlt diese Transparenz und Klarheit, droht die Verweigerung der Genehmigung wegen des Verdachts einer missbräuchlichen Ausgestaltung zur Bindung von Zuweisungen, was als Verstoß gegen das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt bewertet werden kann.