BSG: Honorarrückforderung der KV erfolgte zu Recht

Welche Anforderungen sind an eine „echte“ Gemeinschaftspraxis zu stellen und unter welchen Voraussetzungen ist trotz formell eingeräumter Gesellschafterstellung eines Arztes eine verdeckte Anstellung anzunehmen? Zu dieser Frage hat das Bundessozialgericht (BSG) am 23. Juni 2010 eine Grundsatzentscheidung getroffen (Az: B 6 KA 7/09 R). Demnach ist ein Rückforderungsbescheid, der eine sachlich-rechnerische Berichtigung und eine darauf beruhende Honorarrückforderung zum Gegenstand hat, rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Abrechnung durch eine Gemeinschaftspraxis erfolgt, in der einer der dort tätigen Ärzte nach den tatsächlichen Gegebenheiten nur zum Schein als Gesellschafter eingebunden ist. Mit diesem Urteil bestätigte das BSG die Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (LSG NSB) vom 17.Dezember 2008 (Az: L 3 KA 316/04, siehe Ausgabe 10/2009).

Der Fall

Im Urteilsfall hatte ein Arzt im Jahr 1996 mit einer radiologischen Gemeinschaftspraxis einen „Kooperationsvertrag“ zur Zusammenarbeit „als frei praktizierende Vertragsärzte“ geschlossen. Nach dem Wortlaut des Vertrages war der „freie Mitarbeiter“ jedoch „nicht Mitunternehmer an der Betriebsstätte“ (Anlagevermögen und ideeller Praxiswert). Zugleich wurde vereinbart, es werde „kein Anstellungsverhältnis begründet“. Das freie Mitarbeiterverhältnis sei „als Probezeit gedacht“, nach deren Ablauf eine partnerschaftliche Einbindung erfolgen sollte.

Der Vertrag sah „eine regelmäßige Vergütung pro Arbeitswoche in Höhe von 2.348 DM zuzüglich einer sogenannten Karenzentschädigung von zunächst 1.304 DM vor (später 1.565 DM). Aus den im Verfahren ebenfalls vorliegenden Gesellschafterbeschlüssen und Schriftverkehr der Gesellschafter war ersichtlich, dass der betreffende Arzt im streitgegenständlichen Zeitraum an Gesellschafterversammlungen nicht teilnahm und zudem seine Teilnahme an einem Arbeitsessen nicht für sinnvoll gehalten wurde, da dort „über geschäftliche Dinge zu reden sein werde, die allein Sache der Gesellschafter seien“.

Der zuständige Zulassungsausschuss hatte im Jahr 1996 auf Antrag der Beteiligten die gemeinsame Berufsausübung in einer Gemeinschaftspraxis genehmigt. Zu einer partnerschaftlichen Einbindung des Arztes in die Gemeinschaftspraxis ist es in der Folgezeit nicht gekommen.

Im Jahr 2001 hob die KV die Honorarbescheide der Gemeinschaftspraxis für die Quartale IV/1996 bis I/2001 auf und forderte für diesen Zeitraum Honorare in Höhe von insgesamt 1.785.153 DM (880.578Euro) zurück, da die Genehmigung der Gemeinschaftspraxis durch bewusst unwahre Angaben über die gesellschaftsrechtliche Beteiligung an und freiberufliche Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis erlangt worden sei.

Urteilsgründe

Das BSG bestätigte die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen. Demnach ist eine KV berechtigt, im Falle von Schein-Partnerschaften die Honorarabrechnungen sachlich-rechnerisch richtig zu stellen. Die Berechtigung zur Erbringung vertragsärztlicher Leistungen fehle, wenn ein Partner nicht in „freier Praxis“, sondern tatsächlich als angestellter Arzt tätig sei. Dies sei hier der Fall gewesen, weil dem Arzt weder nach der Vertragslage noch tatsächlich Mitwirkungsmöglichkeiten an zentralen Entscheidungen eingeräumt wurden.

Die vom Zulassungsausschuss genehmigte Gemeinschaftspraxis habe tatsächlich nicht bestanden. Damit entsprach die vertraglich vereinbarte Kooperation nicht den rechtlichen Vorgaben. Der Arzt habe zu keinem Zeitpunkt über die berufliche und persönliche Selbstständigkeit verfügt, die für die Ausübung der Tätigkeit des Vertragsarztes in freier Praxis erforderlich ist. Nach den vertraglichen Vereinbarungen trug er zu keinem Zeitpunkt das wirtschaftliche Risiko der Praxis mit und war in keiner Weise am Wert der Praxis beteiligt. Die ärztliche Tätigkeit wird jedenfalls dann nicht mehr in freier Praxis ausgeübt, wenn beides explizit ausgeschlossen ist.

Bei gesetzwidrigen Gestaltungen der beruflichen Kooperation darf nach Auffassung des BSG eine KV die notwendigen vergütungsrechtlichen Folgerungen ziehen. Im Innenverhältnis zur KV schütze der rechtswidrig erlangte bzw. genutzte Status als „freier Partner“ den Arzt in vergütungsrechtlicher Hinsicht nicht. Die Richtigstellung fehlerhafter vertragsärztlicher Abrechnungen durch KVen sei dann rechtens – selbst wenn grundsätzlich kein Verschulden des Vertragsarztes vorliege. Im vorliegenden Fall bestanden für das BSG aber keine Zweifel, dass die bisherigen Partner der Gemeinschaftspraxis wussten, dass ein Arzt, der weder am Erfolg noch am Wertzuwachs der Praxis beteiligt sein sollte, kein Partner einer Gemeinschaftspraxis sein kann.

Fazit

Der verhandelte Fall macht die möglichen gravierenden Konsequenzen eines verdeckten Anstellungsverhältnisses deutlich – hier eine Honorarrückforderung in Höhe von etwa 880.000 Euro.

Bei der Einbindung eines neuen Partners ist unbedingt darauf zu achten, dass er zumindest in irgendeiner Form am wirtschaftlichen Risiko beteiligt wird. Im Hinblick auf den hohen Wert radiologischer Praxen ist es häufig beim Einstieg eines neuen Partners nicht gewünscht, diesen in der „Erprobungsphase“ gleich am Gesellschaftsvermögen zu beteiligen. Hier gilt es, eine Vertragsgestaltung zu finden, bei der man sich nicht der Gefahr von „verdeckten Anstellungsverhältnissen“ aussetzt. In der Regel empfiehlt es sich, hierfür rechtlichen Rat einzuholen.