Bezeichnung als „Oberarzt“ genügt nicht für entsprechende tarifliche Eingruppierung

von RA Ulrich Rehborn, FA für Arbeitsrecht, Dortmund, www.rehborn.com

Wer von seinem Klinikum intern oder extern – etwa auf der Homepage – als „Oberarzt“ bezeichnet wird, hat noch lange keinen entsprechenden Vergütungsanspruch, wie ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zeigt. Entscheidend ist vielmehr, dass der Oberarzt eine ungeteilte medizinische Verantwortung für einen selbstständigen Bereich besitzt und zudem gegenüber mindestens einem Facharzt das Aufsichts- und Weisungsrecht hat (Urteil vom 19.11.2014, Az. 4 AZR 76/13).

Oberarzt verlangt Entlohnung nach Ä3 („Oberarzt“) 

Ein Facharzt für Anästhesiologie wurde seit über 25 Jahren von einem Klinikum als „Oberarzt“ bezeichnet. Er war in verschiedenen OP-Räumen tätig und hatte dort Aufsichts- und Weisungsrechte gegenüber Assistenzärzten. Außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit bestand zudem ein „Funktionsoberarzt-Dienst“. Während dieser Dienste entschied der Oberarzt über die Aufnahme von Notfallpatienten und überwachte die in den OP-Sälen tätigen Assistenzärzte. Daneben kontrollierte er die Anträge des ärztlichen Personals auf Überstundenvergütung und war als Strahlenschutzbeauftragter eingesetzt. Mit seiner Klage verlangte er die nachträgliche Entlohnung als Oberarzt, also die Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä3 im TV-Ärzte/TdL.

BAG: Voraussetzungen für höhere Eingruppierung waren nicht erfüllt 

Das BAG stellte zunächst klar: Weder die Verleihung eines „Titels“ oder des Status „Oberarzt“ noch die Verwendung in Zeugnissen oder in der Außendarstellung (zum Beispiel Internetauftritt) rechtfertigt eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä3. Ausschlaggebend sei allein, ob dem Arzt die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche innerhalb des Krankenhauses übertragen worden seien.

Hierzu gehöre, dass der „Oberarzt“ tatsächlich gegenüber Assistenzärzten ein Aufsichts- und Weisungsrecht ausübe – und zwar während zumindest 50 Prozent seiner regelmäßigen Arbeitszeit. Die Aufsichts- und Weisungsbefugnis während der Bereitschaftsdienste reiche nicht aus. Zudem müssten dem „Oberarzt“ mindestens ein Facharzt (Ä2) und nicht ausschließlich Assistenzärzte (Ä1) zugeordnet sein.

Seien diese Voraussetzungen – wie hier – nicht erfüllt, könne nicht von einer ungeteilten medizinischen Verantwortung des Arztes für den selbstständigen Teil- oder Funktionsbereich des Klinikums ausgegangen werden. Die zusätzlichen Tätigkeiten des Arztes als Strahlenschutzbeauftragter und Empfänger der Überstundenanträge erfüllten dieses Kriterium ebenfalls nicht.

Fazit

Mit seinem Urteil hat das BAG die von ihm bislang entwickelten Abgrenzungskriterien für die Eingruppierung von Oberärzten bestätigt. Eine Eingruppierung als Oberarzt erfolgt demnach nur, wenn dem Arzt die ungeteilte medizinische Verantwortung für einen selbstständigen Bereich oder eine Abteilung übertragen wurde. Nicht entscheidend ist hingegen, ob der Arzt intern oder sogar in der Außendarstellung des Krankenhausträgers als „Oberarzt“ bezeichnet wird. Die Kriterien sind auch auf die Eingruppierung gemäß § 16 TV-Ärzte/VKA übertragbar.