Betriebsverbot von Röntgeneinrichtungen wegen Unzuverlässigkeit des Betreibers

von Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht Prof. Dr. Birgit Schröder, Hamburg 

Verstößt ein Strahlenschutzverantwortlicher (z. B. im Bereich der Radiologie) über einen langen Zeitraum gegen die Strahlenschutzbestimmungen, so kann dieses Verhalten Bedenken gegen dessen Zuverlässigkeit begründen. Dies wiederum kann die Untersagung des Betriebs der Röntgeneinrichtungen durch die zuständigen Behörden rechtfertigen (Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht [VG] vom 14.02.2023, Az. 6 B 3/23).

Sachverhalt

Ein Zahnarzt wandte sich gegen einen Bescheid der zuständigen Strahlenschutzbehörde, mit dem ihm der Betrieb einer Röntgeneinrichtung für die Dauer von fünf Jahren untersagt wurde. Sein Antrag lautete: „Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Anordnung der Antragsgegnerin bis zum 31.01.2023 wird aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels wird ohne Auflagen und Sicherheitsleistungen wiederhergestellt.“ Doch der Antrag des Zahnarztes blieb ohne Erfolg. Das VG urteilte, dass der Antrag zwar zulässig, aber unbegründet ist.

Entscheidungsgründe

Auch wenn es sich im Fall des Zahnarztes um ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz handelt, in dem der Prüfungsmaßstab etwas anders gelagert ist als in Hauptsacheverfahren, sollen hier die Aspekte der Hauptsache in den Blick genommen werden, also die Verstöße gegen die Strahlenschutzbestimmungen und die daraus folgenden Konsequenzen. In der Verwaltungsangelegenheit kam das VG zu dem Ergebnis, dass der Bescheid der Strahlenschutzbehörde rechtmäßig war. Formelle Bedenken sah das Gericht nicht. Die vorherige Anhörung des Antragstellers sei erfolgt, der Bescheid schriftlich ergangen und begründet worden.

Betriebsverbot wegen Bedenken gegen Zuverlässigkeit oder Verstöße

Rechtsgrundlage für die Untersagung des Betreibens von Röntgeneinrichtungen seien § 20 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 5 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG).Die zuständige Behörde könne den Betrieb einer Röntgeneinrichtung untersagen, wenn

  • „Tatsachen vorliegen, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der zur Anzeige verpflichteten Person“ ergeben (Nr. 2) oder
  • gegen die Vorschriften des StrlSchG oder auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen die hierauf beruhenden Anordnungen und Verfügungen der Aufsichtsbehörden erheblich oder wiederholt verstoßen wird und nicht in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen wird (Nr. 5).

Die Behörde habe korrekt Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Zahnarztes angenommen. Zuverlässig sei, wer die Gewähr dafür biete, bei seiner Tätigkeit die für ihn geltenden Bestimmungen einzuhalten. Maßgeblich sei dabei immer das konkrete Tätigkeitsfeld. Strahlenschutz diene hochrangigen Rechtsgütern, sodass entsprechend hohe Maßstäbe vor allem an den Strahlenschutzverantwortlichen anzulegen seien. Daraus folge, dass die Unzuverlässigkeit nicht feststehen muss. Ausreichend sei vielmehr eine geringe Wahrscheinlichkeit in Form von Bedenken. Diese Voraussetzungen sah das VG im Fall des Zahnarztes erfüllt.

Die Verstöße des Antragsgegners, also des Zahnarztes, reichten über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren zurück und belegten aufgrund der Dauer und der Häufigkeit eine Tendenz, die weit über ein punktuelles Fehlverhalten hinausgehe.

Exemplarisch werden Verstöße gegen Vorlageverpflichtungen nach § 130 Abs. 6 Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) trotz mehrmaliger Aufforderungen aufgeführt. Es wurden Bußgelder verhängt und auch Zwangsgelder festgesetzt, da behördlichen Aufforderungen nicht nachgekommen wurde. Ein Röntgengerät des Antragstellers war bereits zwangsweise stillgelegt worden. Das Nachreichen der Unterlagen führte nicht zu einer abweichenden Betrachtung, da darin keine strukturelle Verhaltensänderung gesehen wurde, die eine positive Zukunftsprognose begründet. Erklärungen mit der Homeoffice-Tätigkeit während der Coronapandemie ließ das Gericht nicht gelten – zumal Verstöße auch schon zuvor bestanden. Erhebliche und wiederholte Verstöße und fehlende Abhilfe in angemessener Zeit rechtfertigten somit die behördliche Entscheidung.

Keine Ermessensfehler

Ermessensfehler hat das Gericht verneint. Nach § 114 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) prüft das Gericht, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Die Anordnung sei insbesondere verhältnismäßig, da sie dem Zweck des Strahlenschutzgesetzes diene, Menschen vor unnötiger Strahlenbelastung zu schützen. Durch mangelnde (zeitnahe) Kontrolle der Röntgengeräte könne dies nicht gewährleistet werden. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist nicht erkennbar. Buß- und Zwangsgelder seien ohne Erfolg geblieben. Auch die zwangsweise Stilllegung eines Röntgengerätes habe keine verhaltensändernde Wirkung gehabt. Aufgrunddessen sei die Anordnung auch im engeren Sinne verhältnismäßig.

Die Strahlenschutzbehörde habe insbesondere auch berücksichtigt, dass eine Untersagung des Betriebs von Röntgengeräten für den Antragsteller Auswirkungen auf die Berufsausübung hat. Bestimmte Behandlungen könne der Zahnarzt bei seinen Patienten nicht mehr durchführen, jedenfalls nicht mit den Röntgengeräten, für die er Strahlenschutzverantwortlicher ist. Ein Großteil der Behandlungen bleibe hingegen möglich. Zudem sei die Untersagung auf fünf Jahre befristet worden, also nicht dauerhaft, sondern zeitlich begrenzt.

Merke

Eine Beurteilung der Auswirkungen auf die Berufsausübung könnte im Falle einer Radiologie-Einrichtung anders ausfallen.

 

Sofortige Vollziehung bestätigt

Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziffer 3 des Bescheids) genüge den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO. Die Behörde habe die Anordnung individuell begründet und das besondere öffentliche Interesse an der ausnahmsweisen sofortigen Vollziehbarkeit dargelegt.

Das konkrete, von der Behörde geschilderte Verhalten des Arztes, das sich durch fortdauernde und sich wiederholende Verstöße gegen die Regelungen des StrlSchG, der StrlSchV und gegen bestandskräftige Anordnungen kennzeichne, veranlasste die Behörde, zu befürchten, dass Patienten erhöhter und damit unnötiger Strahlenbelastung ausgesetzt werden könnten. Zum Schutz der Individualrechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit wurde die sofortige Vollziehung angeordnet. Das besondere Vollzugsinteresse wurde bejaht. Dieses gehe über das öffentliche Interesse am Vollzug des Gesetzes hinaus. Das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bleibe insgesamt hinter dem öffentlichen Sofortvollzugsinteresse zurück. Die Bedenken der Zuverlässigkeit beziehen sich im vorliegenden Fall auch gerade in Bezug auf die langfristige Kontrolle der ordnungsgemäßen Funktionsfähigkeit der genutzten Röntgengeräte.

Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO sei begründet, wenn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege. Auch hier würden die Erfolgsaussichten der Hauptsache summarisch geprüft. Bei offensichtlicher Rechtmäßigkeit überwiege das Vollzugs-, bei Rechtswidrigkeit das Aussetzungsinteresse.

Fazit

Strahlenschutz dient hochrangigen Rechtsgütern, sodass entsprechend hohe Maßstäbe vor allem an den Strahlenschutzverantwortlichen anzulegen sind. Zum Schutz der Patienten vor einer möglichen erhöhten Strahlenbelastung ist die Anordnung der technischen Stilllegung ein geeignetes Mittel. Wenn zahlreiche dokumentierte Verstöße vorliegen, die in Dauer und Häufigkeit über punktuelles Fehlverhalten deutlich hinausgehen, können diese für eine radiologische Praxis oder ein radiologisches Institut gefährlich werden und zu Stilllegungen der Geräte führen. Wenn mindere Mittel wie Buß- und Zwangsgelder in der Vergangenheit nicht zu einer Verhaltensänderung führen konnten, muss mit weiteren Maßnahmen gerechnet werden.

Auch wenn es sich im dargelegten Fall „nur“ um eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz handelt, sollte sie Strahlenschutzverantwortlichen eine Warnung und Aufforderung sein, behördliche Aufforderungen und gesetzliche Grundlagen ernst zu nehmen und sorgfältig zu beachten. Ansonsten kann eine Betriebsuntersagung drohen. So weit sollte man es gar nicht erst kommen lassen und rechtzeitig reagieren.

 

Weiterführende Hinweise