Bei der Praxisabgabe spielen auch negative/positive Kapitalkonten eine wichtige Rolle

von Dipl.-Betr. (FH) Werner Wenk, Bankkaufmann und Rating Advisor, Nürnberg, www.praxiswertgutachter.de

Bereits ab Beginn einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), im Laufe der folgenden Jahre und auch aus Transparenz-Gründen ist es wichtig, die Entwicklung der jeweiligen Kapitalkonten der Arztpraxis zu ermitteln. Dies erspart bei jeder Praxisbewertung (z. B. beim Gesellschafterwechsel, bei einer Praxis-[teil-]abgabe oder in einem Zugewinnausgleichsverfahren) zusätzliche, aufwendige und teure Arbeiten.

Feste und variable Kapitalkonten

Bei den Kapitalkonten der (BAG-)Gesellschafter unterscheidet man Festkapital- und variable Konten:

  • Bei Festkapitalkonten sollen die Kapitalanteile dauerhaft in der Praxis verbleiben.
  • Über die variablen Kapitalkonten werden z. B. Entnahmen für Lebenshaltung, Vorsorgeaufwendungen, Vorweggewinne, Steuern, außergewöhnliche Belastungen, Kapital-/Darlehensverzinsung, Einlagen, Gewinnverteilung etc. der jeweiligen Gesellschafter erfasst.

Positive und negative Kapitalkonten

Es versteht sich von selbst, dass die jeweiligen positiven Kapitalkonten dem/den bisherigen Gesellschafter(n) zur Verfügung stehen. Es handelt sich hier um Forderungen der Gesellschafter gegenüber der BAG. Umgekehrt handelt es sich bei negativen Kapitalkonten der BAG-Gesellschafter um eine Forderung der BAG gegenüber dem/den jeweiligen Gesellschafter(n). Das negative Kapitalkonto des jeweiligen Gesellschafters kann sich durch Verluste und/oder durch gewinnübersteigende (zu) hohe Entnahmen ergeben. Es wird auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen (sogenannte Unterbilanz).

In jedem Fall sollte es eine differenzierte Regelung zu den Gesellschafterkonten im Gesellschaftsvertrag geben, die möglicherweise die Beschränkung von Entnahme- bzw. Verfügungsmöglichkeiten nach sich zieht. Denn ohne eine solche ist Streit vorprogrammiert, der auch das Finanzamt einschließen kann.

Regelung der Kapitalrückzahlung

Sofern im Gesellschaftsvertrag der BAG noch nicht geschehen, sollte jedenfalls in einer Gesellschafterversammlung durch Protokoll geregelt werden, wann und wie im Falle negativer Kapitalkonten das Kapital vom Gesellschafter zurückzuzahlen ist (Zeitpunkt, Regelung bei gewinnübersteigender Entnahme etc.) und wann und wie positive Kapitalkonten von der BAG zurückgezahlt werden.

Wird dies versäumt, könnte eine plötzliche Kapitalentnahme zu einem Liquiditätsengpass oder sogar zu Illiquidität führen. Den finanziellen Praxis-Verpflichtungen kann dann nicht mehr bzw. nicht mehr in vollem Umfang nachgekommen werden.

Auch ein einstiegswilliger Arzt in die bisherige BAG kann das zusätzliche Risiko eines negativen Kapitalkontos so nicht ohne Weiteres akzeptieren, weil er hierdurch eine zusätzliche Verpflichtung übernimmt. Ein möglicher Ausweg ist: Derjenige mit negativem Kapitalkonto muss bei einem Praxisanteilsverkauf eine entsprechende Minderung seines Anteils in Kauf nehmen.

Praxishinweis

Bei bilanzierenden Praxen ergibt sich die Aufteilung der Kapitalkonten aus der Bilanz. Dabei wird der Kapitalanteil eines jeden Gesellschafters getrennt ausgewiesen, sodass negative und positive Kapitalkonten in einer Bilanz möglich sind.

Im Gegensatz dazu sind die Kapitalkonten der Gesellschafter bei Praxen, die aus Vereinfachungsgründen nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz ihre wirtschaftlichen Ergebnisse ermitteln (Überschussrechner), nicht ersichtlich. Im Buchungssystem der klassischen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ist das Kapitalkonto nicht vorhanden und Steuerberater informieren die Ärzte nicht immer separat über die Kapitalkontenentwicklung. Achten Sie deshalb darauf, dass gerade im Hinblick auf eine Praxisbewertung nicht nur Forderungen/Verbindlichkeiten, sondern auch die Kapitalkonten ausgewiesen sind.