§ 116b SGB V – Sozialgericht gewährt Rechtsschutz

von RA René T. Steinhäuser, Rechtsanwälte Wigge, www.ra-wigge.de

Das Sozialgericht (SG) Dresden beschloss am 29. September 2009 (Az: S 11 KA 114/09 ER, nicht rechtskräftig) in einem Eilverfahren, dass ein Vertragsarzt der Zulassung eines Krankenhauses zur ambulanten Behandlung nach § 116b SGBV widersprechen kann. Rechtsanwalt Dr. Peter Wigge stellte diesen Fall den Teilnehmern des Guerbet-Workshops „Vernetzung und Kooperation in der Radiologie“ auf dem „Radiologie Kongress RUHR“ am 5. November in Bochum vor. Nachfolgend die wichtigsten Aussagen aus dem Beschluss:

Das Gebot der Rücksichtnahme

Das SG Dresden stellte in seinem umfassenden Beschluss fest, dass der Gesetzgeber den Vertragsärzten keinen Vorrang einräume. Er müsse aber der Berufsausübung der Vertragsärzte in einem regulierten Markt im Verhältnis zu den Krankenhäusern Rechnung tragen, in dem die Bestimmung des Krankenhauses zu erfolgen hat, „soweit es unter Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation dazu bestimmt worden ist.“

Den ruinösen Wettbewerb zulasten der Vertragsärzte habe der Gesetzgeber, so das SG, mit der Öffnung der Krankenhäuser zur ambulanten Versorgung weder beabsichtigt noch in Kauf genommen. Vielmehr habe er der bestehenden Struktur mit der Versorgung durch die niedergelassenen Ärzte und der vorhandenen Versorgungssituation eine grundlegende Funktion beigemessen, die mit einer Teilnahme der Krankenhäuser an der ambulanten Versorgung nicht gefährdet, sondern ergänzt werden soll.

Das SG weiter: Die Formulierung „unter Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation“ normiere, dass bei einer Erteilung einer Bestimmung das Gebot der Rücksichtnahme auf die Interessen des bereits niedergelassenen Vertragsarztes, der in demselben räumlichen Bereich wie das ersuchende Krankenhaus bereits eine Position am Markt der Leistungserbringer inne hat, zu wahren sei.

Keine Bedarfsprüfung

Das SG betonte, dass die Prüfung des Bedarfs für eine ambulante Leistungserbringung im Krankenhaus nicht Voraussetzung für die Erteilung der Teilnahme ist. Eine Bedarfsprüfung finde daher nicht statt. Das Absehen von einer Bedarfsprüfung bedeute lediglich, dass die Bestimmung des Krankenhauses nicht auf den Fall des Bestehens einer Versorgungslücke beschränkt ist. Umgekehrt hieße dies nicht, dass auch im Falle einer bestehenden sichergestellten Versorgung die Bestimmung ohne Einschränkung zu erfolgen habe.

Wettbewerbsvorteil des Krankenhauses

Das Krankenhaus und die ermächtigten Krankenhausärzte haben nach den Feststellungen des SG gegenüber den Vertragsärzten einen Wettbewerbsvorteil. Nach einer Tumoroperation in einem Krankenhaus befinde sich der Patient in einer besonderen Situation, die die Entschlussfassung im Hinblick auf die weitere Therapie beeinflusse. Der Patient habe zu den stationär behandelnden Ärzten ein Vertrauensverhältnis aufgebaut und dies überlagere seine Entscheidung, die weitere Therapie an einem anderen Ort und bei einem anderen Arzt durchführen zu lassen. Daneben liege es nahe, dass sich ein Patient dem konkreten Angebot der Krankenhausärzte, die Therapie im Krankenhaus durchzuführen, nur schwer entziehen könne. Das SG weist dabei auf die nicht oder nur unzureichende Information des Patienten hin, dass er die Möglichkeit hat, die Behandlung durch niedergelassene Ärzte fortzusetzen.

Zur Begründung ziehen die Richter die Anlage 3 der Richtlinie des G-BA zur Bereitstellung von Informationsmaterial heran. Es hebt dabei hervor, dass das Krankenhaus nur verpflichtet ist, das Informationsmaterial über die Erkrankung und die Behandlungsalternativen industrieunabhängig und kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Notwendigkeit der Aufklärung über die Möglichkeit, die Therapie in entsprechend onkologisch-qualifizierten Praxen niedergelassener Ärzte durchführen zu lassen, sei damit nicht vorgeschrieben.

Abgrenzung teilstationäre und ambulante Behandlung

Das SG konnte der Argumentation des Klinikums auch an einer anderen Stelle nicht folgen. Es trug bezüglich der wirtschaftlichen Folgen vor, dass es die bisher teilstationär erbrachten Leistungen durch die Krankenkassen nicht vollständig vergütet bekam und dies nun über die Bestimmung zur ambulanten Versorgung erfolgen soll.

Zutreffend äußerte das SG Bedenken, weil nicht damit gerechnet werden kann, dass die teilstationären nun als ambulante Behandlungen abgerechnet werden dürfen.

Fazit

Der Beschluss des SG Dresden schafft nun noch mehr Rechtssicherheit für Krankenhäuser und Vertragsärzte. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im letzten Jahr die Vertragsärzte mit ihrer Klage gegen § 116b SGB V an die Sozialgerichte verwies, hat das SG Dresden die Klage eines Vertragsarztes gegen die Bestimmung eines Krankenhauses zur ambulanten Versorgung zugelassen und einen greifbaren Maßstab für die Zulassung gebildet.

Wenn auch keine Bedarfsprüfung stattfindet, so wirkt sich eine bestehende gesicherte Versorgung der Versicherten durch die bereits tätigen Vertragsärzte aufgrund des Gebots der Rücksichtnahme als erhebliche Hürde für das Klinikum aus. Jedenfalls in dem Bereich einer sichergestellten Versorgung dürften regelmäßig die Rechte der bereits tätigen Vertragsärzte überwiegen. Das Sächsische Landessozialgericht (Az: L 1 KA 37/09 B ER) muss nun über den Fall entscheiden. Es wird sich zeigen, ob die umfangreiche Begründung des Sozialgerichts einer Überprüfung standhalten kann.

Leserservice: Ab der nächsten Ausgabe des „Contrast Forum“ wird es eine Serie zum Thema „Vernetzung und Kooperation in der Radiologie“ geben. Hierbei werden Fragen zur Zusammenarbeit zwischen Niedergelassenen und Krankenhausradiologen besprochen, ein intersektorales Modell zwischen Fachärzten und Krankenhäusern vorgestellt und die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V genauer beleuchtet.